Eine Hexe mit Geschmack
unerlaubte Aufstände nieder
und mühten sich ab, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Am berühmtesten
waren sie für ihre Tugendhaftigkeit, die sie unverwundbar machte, solange sie
sich selbst rein hielten.
Ich hielt es für möglich, dass
dies bis zu einem gewissen Grad wahr sein konnte. Aber die Unverwundbarkeit des
weißen Ritters war genauso auf das unsichtbare Brandzeichen auf seiner Stirn
zurückzuführen wie auf sein reines Herz. Und wahre Unbesiegbarkeit geht über
die Magie hinaus. Jeder Zauber, wie sehr er auch durch eine tugendhafte Seele
unterstützt wird, hat irgendwo eine Schwachstelle.
Alle interessierten sich für den
weißen Ritter. Sogar Morgenröte - was mich überraschte. Ich hielt sie nicht für
jemanden, der wegen eines Mannes in Verzückung geriet, den sie noch nicht
einmal gesehen hatte. Sie hatte bei seiner Ankunft gearbeitet und deshalb
keinen Blick auf ihn erhaschen können, bevor er im Fort verschwunden war.
Also schoss sie Frage um Frage auf
mich ab, als sie später in meinem Zelt saß.
»Wie sieht er aus? Sieht er gut
aus? Er muss einfach gut aussehen!« Sie quiekte nicht direkt, aber sie war doch
sehr nahe daran.
»Er war attraktiv«, antwortete
ich, »aber ich denke nicht, dass er gutaussehend ist. Seine Ohren sind zu groß.
Nicht auf markante Art, aber erwähnenswert.«
»Und groß? Ist er groß?«
»Er schien schon groß, aber er saß
auf einem Pferd. Es ist schwer zu sagen.«
»Aber er muss glatthäutig mit
goldschimmernden Locken sein.«
»Er ist dunkler als alle Männer,
die ich je gesehen habe.«
»Er ist also ein nicht so richtig
gutaussehender, vielleicht - oder auch nicht - großer, dunkler Mann.«
Ich nickte.
»Ich kann nicht behaupten, dass
ich nicht enttäuscht bin. Obwohl die Dunkelheit auf gewisse Weise romantisch
ist.«
»Legenden sind aus der Ferne
betrachtet immer besser«, sagte ich. »Er ist wirklich reinen Herzens. Er hat
Molch krank gemacht. Und er hat wunderschöne, tiefschwarze Augen.«
Morgenröte klopfte mit den Fingern
auf ihrer Tasse herum. »Du bist verliebt.«
»Bin ich?«
»Ziemlich.«
Ich glaubte ihr. Was Liebe und
Lust angeht, vertraute ich Morgenröte ebenso, wie ich der Grausigen Edna in
Hexendingen vertraut hatte. Um sicherzugehen, testete sie mich.
»Wenn du über ihn sprichst,
lächelst du, und du gehst mit deinem Lächeln sonst sehr sparsam um.«
Ich spürte das leichte Grinsen auf
meinen Lippen. »Ist das alles?«
»Nicht alles. Wenn du an ihn
denkst, fühlst du dann so ein Flattern in dir?«
Ich achtete auf meinen Körper und
stellte, wenn auch kein Flattern, so doch eine Art Flimmern in meinem Magen
fest.
»Flimmern ist noch schlimmer«,
sagte sie. »Spürst du, dass du dir wünschst, bei ihm zu sein und ... ihn zu
küssen?«
»Ich möchte sein Gesicht essen.«
»Und wenn, während du sein Gesicht
isst, deine Lippen zufällig seine berühren sollten ...«
Das Flimmern in meinem Magen
rutschte tiefer und prickelte sanft an Orten, wo es vorher nie geprickelt
hatte. Ich lächelte, und als ich es bemerkte, wurde ich rot.
»Definitiv verliebt.« Morgenröte
tätschelte meine Hand, um mich zu trösten, und zwar ziemlich genau auf die Art,
wie die Grausige Edna es dann und wann auch getan hatte.
»Es ist nichts, wofür du dich
schämen müsstest. Es ist vollkommen normal.«
Molch kicherte. »Hast du nicht
gehört, was sie gesagt hat? Sie will sein Gesicht essen! Daran ist überhaupt
nichts normal!«
»Oh, sei still. Das ist etwas Gutes.
Du solltest dich für sie freuen.«
»Hast du je einen Mann gegessen?«,
fragte ich.
»Nein. Aber ich bin auch eine
sterbliche Frau. Du bist eine Hexe, und verflucht, und untot. Also denke ich,
diese morbiden Impulse sind vollkommen normal.«
Das war logisch, und ich schob
meine Verlegenheit fort. »Glaubst du wirklich, es ist etwas Gutes?«
»Ich kann nichts Falsches daran
erkennen. Es zeigt nur, dass du menschlicher bist als du dachtest.«
»Kann ich ihn wirklich lieben?«
Morgenröte lachte liebevoll. »Ich habe
nichts von Liebe gesagt. Ich sagte verliebt. Es kann zwar zu Liebe führen, aber
meistens ist es lediglich eine vorübergehende Verblendung.« .
»Woher weiß ich, was es ist?«
»Du wirst es zu gegebener Zeit
herausfinden.«
Molch runzelte die Stirn. »Sie
kann nicht verliebt sein. Er ist ein weißer Ritter.«
»Was ihn nur noch verwegener und
romantischer macht.«
»Aber sie ist eine Hexe. Hexen und
weiße Ritter verkehren nicht
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