Eine Hexe mit Geschmack
Die Armee murmelte
verwirrt. Einige zogen zweifellos in Betracht, dass sich die Horde
zurückgezogen hatte. Ich wusste es jedoch besser.
Das ohrenbetäubende Kreischen von
zehntausend Gobliingstimmen zerriss die Luft. Goblings ergossen sich in
riesigen Scharen aus dem Wald. In Wahrheit war es eher eine hüpfende Flut, da
die meisten Goblings in der Luft innerhalb von Sekunden auf die Erde stürzten.
Es waren so viele. So viele mehr als selbst ich es mir vorgestellt hatte. Und
sie kamen auf uns zu.
Die Armee wich einige Schritte
zurück. Die Männer standen kurz davor, in ein Chaos auszubrechen, als Wyst aus
dem Westen sein verzaubertes Schwert zog. Seine glühende Macht schwappte über
die Soldaten hinweg und gab ihnen den Mut, den sie brauchten. Er rief zum
Angriff. Ich glaube nicht, dass es irgendwer über dem Kreischen der Horde
gehört haben konnte, aber der weiße Ritter stürmte vorwärts, das Schwert hoch
in der Luft, und die Männer folgten ihm in den Kampf.
Molch plusterte sich auf. Der
Dämon stieg in seinem Körper auf. Das einzige Anzeichen dafür war das
blutrünstige Brennen in seinen Augen.
»Noch nicht«, sagte ich.
Die Armee und die Horde prallten
aufeinander. Trotz all des rigorosen Trainings und meines eigenen Beitrags
erwartete ich schon beinahe, dass sich die Goblings über die Soldaten ergossen
und nur ein Feld blutroten Grases und abgenagter Knochen übrig ließen. Das war
auch die Befürchtung der meisten Männer an vorderster Front. Eine
Gobling-Lawine begrub viele unter sich. Andere rannten durcheinander, während
die Monster sich an ihre Kehlen und Gliedmaßen klammerten. Es gab Schreie,
sicherlich, aber nichts außer dem hungrigen Kreischen der Horde war zu hören.
Es sah aus, als diene die Armee nur als Mahlzeit der Horde. Dann geschah das
Übernatürliche. Die Soldaten schlugen zurück. Was aber noch wundersamer war:
Sie taten es mit einiger Wirkung.
Natürlich konnte ein Soldat in
diesem Kampf sein Schwert nicht schwingen, ohne ein bis drei Goblings zu
treffen. Dennoch mischte sich die Horde mit der Armee, ohne sie zu
überwältigen. Man konnte in dem ganzen Chaos unmöglich viel sehen. Goblings
starben im Gehölz. Männer fielen. Es war zu früh, um abzuschätzen, wer als
Sieger daraus hervorgehen würde, aber da beinahe die ganze Armee ungefressen
blieb, vermochte ich das nur als ein gutes Omen zu sehen. Und Omen zu lesen ist
Hexenhandwerk.
Goblings verstreuten sich aus dem
geordneten Durcheinander des Schlachtfeldes, und natürlich stolperten viele in
meine Richtung. Ich ließ sie nahe genug herankommen, um die Falten unter ihren
orangefarbenen Augen sehen zu können.
Ich stieß meinen Besen hoch in die
Luft. Eine unnötig dramatische Geste, eher eines Zauberers würdig als einer
Hexe. Doch selbst Hexen ist es erlaubt, sich gelegentlich etwas zu gönnen.
Molch brüllte mit all seiner
dämonischen Kraft. Sein wildes Quaken war das erste Geräusch, das ich über den
Schreien der Goblings hörte. Er sprang vor, die Flügel ausgebreitet, den Kopf
gesenkt, nur ein wenig geifernd. Die Fledermäuse und Eulen flogen hinter und
über ihm. Die Tiere hatten mein Blut getrunken, meinen Willen übernommen, und
waren zu Instrumenten meines eigenen Unglaubens geworden. Die Eventualität der
Goblings zerfiel mit jeder schlitzenden Klaue und jedem zubeißenden Reißzahn.
Manche zerplatzten wie Seifenblasen. Andere fielen zu leeren Häuten zusammen.
Wieder andere verschwanden nur teilweise, verloren ein Gliedmaß, einen Flügel
oder sogar den Kopf, wenn ein Hieb sie streifte. Meine fliegenden Tiere hörten
nicht auf. Es waren nicht genug, um die eigentliche Horde zu bekämpfen, aber
sie konnten den Kampf immerhin einkreisen und alle Goblings niederschlagen, die
versuchten, dem Schlachtfeld zu entkommen.
Molchs Aufgabe war es dabei, die
Goblings davon abzuhalten, mich zu bedrängen. Er war geradezu ein
goblingschlachtender Wirbelwind. Sein Eifer offenbarte sich in einer
kunstvollen Vielfalt an Metzeleien. Aufschlitzen. Köpfen. Verstümmeln.
Zerstückeln. Zerhacken. Ausweiden. Keine zwei Goblings starben exakt auf
dieselbe Weise. Molch war wirklich ein Künstler, und es tat mir leid, dass er
sich in dieser Begabung nicht öfter üben konnte.
Während die Männer, Fledermäuse,
Eulen, der Troll und eine Dämonenente das Terrain verteidigten, fand ich einen
Baumstumpf, auf den ich mich setzte und zusah. Es gab nichts weiter zu tun. Ich
konnte ein Schwert nehmen und Goblings abschlachten, doch
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