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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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bloß
geknabbert worden, sodass sie sich ohne meine Hilfe selbst zusammenflicken
konnten. Viel mehr waren in jeweils verschiedenem Ausmaß gefressen worden. Es
gab massenweise fehlende Körperteile. Menschen bestehen aus so vielen
bissgroßen Teilen: Ohren, Finger, Lippen, Nasen, Hände, Füße. Obwohl Menschen
es vorziehen, all ihre Körperteile zu besitzen, waren ihre Verluste mit ein
paar einfachen Behandlungen keineswegs lebensbedrohlich.
    Es waren weit weniger Männer, die
mehr von mir benötigten. Die ernster Verwundeten waren normalerweise tot.
Obwohl Menschen empfindliche Wesen sind, können sie schwere Verletzungen
überleben, die sogar mich überraschen. Vielleicht ist überleben ein zu starkes
Wort. Eher schafften sie es, ihren Tod um ein paar Stunden aufzuschieben. Ich
tat für diese sterbenden Helden, was ich tun konnte, aber selbst die Magie
einer Hexe kann den Tod nicht abwehren, wenn er kommen muss. Ich akzeptierte
dies mit der Weisheit, dass alle Menschen letztlich doch sterben müssen.
    Nur eine Stunde nach der
Abenddämmerung, nachdem ich den Rest der Männer behandelt hatte, erstattete ich
dem Hauptmann in seinem Quartier Bericht. Wie die meisten der Soldaten hatte er
den Kampf nicht unversehrt überstanden. Er hatte seine rechte Hand an die
schnappenden Kiefer eines Goblings verloren. Seltsamerweise schien ihn das
nicht im Mindesten zu stören. Er war zu froh, am Leben zu sein und schätzte
sich glücklich. Und das mit Recht. Andere Männer hatten viel mehr verloren.
    Molch schlurfte mir nach,
überzogen mit getrocknetem Gobling-Schleim. Der Hauptmann und Wyst aus dem
Westen sahen an mir auf und ab.
    »Du siehst besser aus, Hexe«,
bemerkte der Hauptmann.
    »Was mich nicht umbringt, macht
mir selten lang zu schaffen. Das ist mein Fluch.«
    Er warf einen Blick auf seinen
bandagierten Stumpf. »Scheint mir kein schlimmer Fluch zu sein.«
    Ich lächelte. »Das ist der
Anschein aller guten Flüche.«
    Von allen Männern war nur Wyst aus
dem Westen unverletzt geblieben. Sein Zauber hatte ihn davor bewahrt, auch nur
von einem einzigen Gobling gebissen zu werden, selbst nachdem er am Stück
verschluckt worden war. Das bedeutete aber nicht, dass er unbesiegbar war. Ich
war sicher, wenn ich die Horde nicht ungeglaubt hätte, er wäre in ihren
schaurigen Innereien erstickt.
    »Wie geht es den Männern?«, fragte
Wyst.
    »Gut genug. Die meisten werden
leben, aber viele werden nie wieder kämpfen.«
    Wyst nickte ernst. »Ihr tapferes
Opfer wird in Erinnerung bleiben.«
    Der Hauptmann kicherte. »Das
glaube ich nicht. Wenn die Leute über diese Schlacht sprechen, dann werden sie
nicht von den Soldaten sprechen. Das tun sie nie. Nein, sie werden sich an den
mutigen weißen Ritter erinnern, der den Kampf anführte.« Er nickte in meine
Richtung. »Vielleicht auch noch an die Hexe, die der Horde den Garaus gemacht
hat. Die Geschichte erinnert sich an ihre Helden und Bösewichter. Alles andere
geht mit der Zeit verloren.
    So sollte es auch sein. Kämpfen
und sterben, das wird von jedem guten Soldaten erwartet. Und ehrlich gesagt
wären wir ohne eure Hilfe abgeschlachtet worden. Der Sieg ist euer, nicht
unser.«
    Das war nur die halbe Wahrheit.
Sicherlich wären die Männer allein gegen die Horde untergegangen, aber weder
Wyst noch ich hätten die Goblings ohne die Unterstützung der Armee besiegen
können. Aber Helden werden auf den Rücken von tausend vergessenen Kämpfern
getragen.
    Wyst aus dem Westen wollte
widersprechen. Richtig oder falsch, so funktioniert das Gedächtnis der Welt.
    »Es ist nicht wichtig«, sagte der
Hauptmann. »Hier und jetzt sind wir am Leben. Die Horde ist geschlagen. Das
Königreich ist gerettet. Deshalb habe ich dich auch hergerufen, Hexe. Um dir
ein Glas meines Lieblingsweines anzubieten.« Er hielt eine Flasche in Form
eines Stundenglases hoch. »Ich spare ihn für besondere Gelegenheiten auf. Ich
denke, diese hier eignet sich dafür.«
    Er schenkte drei Gläser ein. Die
tiefrote Flüssigkeit sah aus wie Blut, roch aber nach den süßen Trauben, die an
einer Stelle in der Nähe der Hütte der Grausigen Edna gewachsen waren.
    Wyst lehnte sein Glas höflich ab.
»Ich trinke keinen Wein.«
    Der Hauptmann grinste. »Nun gut.
Dann bleibt umso mehr für die Hexe und mich.«
    »Ich trinke auch keinen Wein«,
antwortete ich, »aber ich werde ein Glas nehmen.«
    Ich hielt es unter meine Nase. Der
Geruch erinnerte mich an mein Zuhause.
    »Ich könnte einen Schluck
vertragen«, sagte Molch.

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