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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Den Stummen zu spielen hatte schließlich seinen Reiz
verloren.
    Keiner der Männer schien von der
plötzlichen Sprachfähigkeit Molchs überrascht zu sein. Er war immerhin die Ente
einer Hexe. Wenn er schon nicht nachtschwarz war oder Reißzähne besaß, schien
Sprechen nur angemessen zu sein. Er hüpfte auf den Tisch, und der Hauptmann
schenkte meinem Vertrauten fröhlich ein Glas ein.
    »Auf den Sieg«, brachte er als
Trinkspruch aus. Er schlug sein Glas gegen meines und das von Molch. Dann
stürzte er sein Getränk hinunter, während Molch seines aufleckte und ich
angenehme Erinnerungen inhalierte. Ich ließ dem Hauptmann seinen Augenblick des
Triumphs, der leider viel zu kurz war. Dann beendete ich ihn.
    »Die Horde ist geschlagen, ihr
Schatten aber bleibt.«
    Der Hauptmann stellte mit einem
fragenden Blick seinen Wein beiseite, aber Wyst aus dem Westen wusste, was ich
damit meinte.
    »Die Goblings sind tot, oder
nicht?«, fragte der Hauptmann.
    »Da sie nie wirklich lebendig
waren«, antwortete ich, »können sie auch nie wirklich getötet werden. Aber sie
sind so tot wie Phantome es überhaupt sein können. Nein, die Horde ist
ausgelöscht, aber sie war ja nie die wahre Bedrohung.«
    Der Hauptmann holte tief Luft.
»Noch mehr Rätsel, Hexe?«
    »Kein Rätsel.« Wyst faltete die
Hände hinter dem Rücken. Er sah mir in die Augen und ich sah nicht weg. »Die
Goblings waren ein Produkt der Zauberei. Welche Macht auch immer sie schuf, sie
sandte die Horde aus einem bestimmten Grund hierher. Dass die Horde besiegt
wurde, bedeutet nicht, dass es nicht wieder versucht wird.«
    Der Hauptmann wurde blass. »Noch
eine Horde?«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, sagte
ich, »aber ich denke nicht. Die Horde wurde geschlagen. Was immer als Nächstes
kommt - und etwas wird kommen -, wird nicht so leicht zu besiegen sein.«
    Der Hauptmann senkte den Kopf. Er
wollte es nicht hören. »Leicht? Willst du damit sagen, dass wir uns vielleicht
etwas noch Schlimmerem stellen müssen?«
    »Das will ich nicht. Weil ich den
verantwortlichen Zauberer vorher finden werde. Und dann werde ich ihn töten.«
    Molch quakte nach mehr Wein, den
der Hauptmann ihm auch einschenkte. »Wie?«
    »Seine eigene Magie wird mich zu
ihm führen. Ich breche morgen auf.«
    »Und ich werde mit dir gehen«,
sagte Wyst.
    Ich sah tief in seine Augen und er
in meine. »Wie du wünschst.«
    Ich hatte bereits gewusst, dass er
mitkommen würde. Als weißer Ritter war es seine Pflicht. Ich begrüßte die
Gesellschaft. Nicht nur, weil er ein fähiger Kämpfer war, ein würdiger
Verbündeter auf einer gefährlichen Reise. Sondern weil mir, als ich ihn tot
geglaubt hatte, bewusst geworden war, wie viel er mir inzwischen bedeutete.
Meine begrenzte Erfahrung sagte mir, dass ich nicht länger verliebt war. Es war
wesentlich mehr. Und ich spürte es - oder vielleicht hoffte ich das auch nur -
in Wyst aus dem Westen ebenfalls. Ich konnte es nicht mehr länger leugnen.
    Ich tippte zweimal mit dem Besen
auf den Boden. »Komm, Molch. Wir müssen uns auf unsere Reise vorbereiten.«
    Molch schlürfte den Rest seines
Weines und folgte mir zur Tür hinaus. Über die Schulter warf ich Wyst einen
letzten Blick zu. Er lächelte, aber es war ein federleichtes Lächeln. Ich
versuchte, nicht mehr daraus zu machen als es war. Was konnte ein gut
aussehender, tugendhafter weißer Ritter mit einer hässlichen, untoten Hexe
wollen?
    Keine zwei Schritte vor der Tür
musste Molch seine Meinung mitteilen. »Warum nehmen wir ihn mit? Er wird dich
nur ablenken!«
    Er erwartete, dass ich es
bestritt, aber er hatte damit recht. Selbst jetzt war mein Geist ein
splittriges Fragment von angemessen hexenhaften Gedanken und sinnlichen
Begierden. Solche Ablenkungen konnten mich nur auf dem Weg zu meinem Schicksal
behindern, mich vielleicht sogar in meinen furchtbaren Tod führen.
    Und ehrlich gesagt war es mir
vollkommen egal.
    Gwurm legte ein paar weitere
imaginäre tote Goblings auf den kleinen Haufen vor meinem Zelt. »Genügt das?«
    Ich stand vor dem Hügel und
nickte.
    »Sie fangen schon an, schlecht zu
werden«, merkte Gwurm an. »Ich glaube nicht, dass sie länger als ein paar
Stunden halten werden.«
    »Ich brauche die Leichen nicht.
Nur die rohe Magie in ihnen.«
    Ich packte einen Gobling von dem
Haufen und hielt ihn über eine Schale. Dann starrte ich in seine verdrehten
Augen und murmelte. Die grüne Leiche löste sich auf, sie schmolz zwischen
meinen Fingern. Das meiste davon löste sich in

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