Eine hinreißend widerspenstige Lady
die Pein im Gemächt und das Leid und ,ach‘ dies und ,ach‘ jenes.“ Sie begann sich von ihm loszumachen.
Er zog sie wieder an sich.
„Wir müssen vernünftig sein“, sagte sie. „Ich muss vernünftig sein.“
„Nur noch einen Moment“, bat er.
„Mr. Carsington.“
„Rupert.“
„Ich brauche ein wenig Distanz“, erwiderte sie.
„Dafür dürfte es ein bisschen spät sein“, befand er.
„Ich weiß, wie scheinheilig es ist“, meinte sie, „aber ich muss versuchen, wenigstens den Anschein von Anstand zu wahren -Miles zuliebe.“
Er küsste sie auf die Stirn. „Wenn er es herausfindet, wird er mir dann die Leber aus dem Leib reißen? Wird er auf Pistolen bestehen, mit zwanzig Schritt Abstand?“
Erschrocken setzte sie sich auf. „Ein Duell? Meinetwegen? Sollte er so etwas Unsinniges auch nur erwägen ... Aber nein, so töricht wäre er nicht.“ Sie rückte ihr Oberteil zurecht und wandte ihm den Rücken zu. „Würdest du es bitte zuschnüren?“, bat sie ihn. „Ich kann jetzt schlecht nach Lina rufen.“
Widerwillig setzte Rupert sich auf. Noch widerwilliger schloss er die Haken und Ösen.
„Hast du mit Nafisah gesprochen?“, fragte sie ihn.
„Könnten wir nachher über Nafisah sprechen?“, gab er zurück. „Wir sollten erst über uns reden.“
Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Bitte nicht“, sagte sie. „Wir können so nicht weitermachen. Ich bereue nicht, was ich getan habe. Aber der Rest der Welt wird es nicht gutheißen, und das ist die Welt, in der Miles sich behaupten muss. Ich darf ihm keine Schande bereiten. Es geht nicht, ich ertrüge es nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, was er alles für mich getan hat. Ohne ihn hätte ich den Verstand verloren.“
„Er hat sich wie ein guter Bruder um dich gekümmert“, stellte Rupert fest.
„Er hat mehr für mich getan, als die meisten Brüder jemals für ihre Schwester tun würden.“
„Dann will ich ihm auch um keinen Preis der Welt schaden“, meinte Rupert und zog sich sein Hemd an. Er wünschte sich, Weisheit und Erkenntnis wären ebenfalls so leicht anzulegen wie ein Hemd. Eine Zeit lang war er unglaublich glücklich gewesen. Nun war sein Glück dahin, und er wurde von Minute zu Minute nur noch unglücklicher. Er musste gehen. Er würde heute Nacht allein schlafen müssen.
Bekanntlich war er kein Unmensch und wusste sich durchaus zu beherrschen. Natürlich wollte er dem Bruder, den sie so sehr liebte und der sie vor wer weiß was allem beschützt hatte, keine Schande bereiten.
Eigentlich sollte es nicht so schwer sein, sich jetzt von ihr zu trennen. Es sollte nicht so schwer sein, sich zu sagen, dass sie ihren Bruder wohl in den nächsten Tagen finden würden. Entweder würden sie ihn retten oder aber den Versuch mit dem Leben bezahlen. Wenn sie starben, wäre ohnehin alles vorbei. Und wenn sie Erfolg hatten, wäre es nur zwischen Daphne Pembroke und Rupert Carsington vorbei.
Nie hätte er gedacht, dass so etwas auch mal anders enden könnte. Mit Abschieden hatte er bislang nie ein Problem gehabt.
Er hatte andere Frauen besessen, einige gar, doch wenn es Zeit war zu gehen, war er gegangen.
Ob es nun seine Entscheidung gewesen war oder - wie in seltenen Fällen - ihre, er hatte stets liebenswürdig und galant Lebewohl gesagt. Meist dankbar, niemals bedauernd.
Vielleicht lag es daran, sagte er sich, dass dieser Tag ihm mehr beschieden hatte, als er zu hoffen gewagt hatte. Schließlich war er im Grunde wegen des liebeskranken Jungen gekommen, der ihn vorhin so hoffnungsvoll angesehen hatte. Eine Familienangelegenheit, sozusagen, die er mit ihr hatte besprechen wollen.
„Ich sollte jetzt besser die Angelegenheit klären, die zu klären ich gekommen war“, hob er förmlich an. „Damit nicht allen offensichtlich ist, was wir hier hinter verschlossener Tür getrieben haben.“
„Yusuf möchte Nafisah heiraten“, vermutete sie, hockte sich auf die Knie und zog sich den Rock zurecht.
„Ja, aber er ist noch sehr jung. Vierzehn, soweit ich weiß.“
„Die meisten Ägypter haben in seinem Alter schon eine Frau“, meinte sie. „Man scheint hier dem Prinzip zu folgen, dass es besser ist, sich zu binden als zu brennen. Sowie die Söhne in der Pubertät sind, besorgen ihre Väter ihnen für gewöhnlich Ehefrauen.“
Rupert runzelte die Stirn. Unter diesem Aspekt hatte er die Ehe noch gar nicht bedacht. Nun ja, das hatte er ja auch nie nötig gehabt, nicht wahr? Engländer versteckten ihre Frauen
Weitere Kostenlose Bücher