Eine hinreißend widerspenstige Lady
glücklicherweise nicht hinter Schleiern oder sperrten sie in Harems.
„Wenn sie einverstanden ist, ist das keine große Sache“, meinte Daphne. „Die Hochzeit einer Jungfrau wird so aufwendig gefeiert, wie die Familie der Braut es sich nur leisten kann, aber bei Witwen und geschiedenen Frauen wird weit weniger Aufhebens gemacht. Ich hatte mir schon mal Notizen dazu gemacht, weil ich einen Artikel über verschiedene Aspekte der modernen ägyptischen Kultur schreiben möchte.“
Sie schob die Kissen, auf denen sie gelegen hatten, wieder an die Wand, kroch geschwind über den Diwan und kramte in einer Schublade. Während sie suchte, betrachtete Rupert versonnen ihr wohlgerundetes Hinterteil und unterdrückte einen tiefen Seufzer.
Schließlich zog sie ein Notizbuch hervor und blätterte darin. „Hier ist es. Die Frau sagt zum Mann: ,Ich gebe mich an dich hin.“ Meist vor Zeugen, doch das muss nicht sein. Und als Mitgift bekommt sie nur einen Bruchteil dessen, was eine Jungfrau bekäme. Von mir erhält Nafisah ohnehin eine großzügige Mitgift, somit ist das schon mal kein Problem.“ Sie sah von ihren Notizen auf. „Jetzt muss das Mädchen nur noch einverstanden sein.“ „Und das ist alles?“, fragte er ungläubig. „,Ich gebe mich an dich hin“? Kein Aufgebot? Keine Heiratslizenz? Kein Pfarrer?“ „Wir könnten ein Bankett ausrichten“, schlug Daphne vor. „Eine gute Gelegenheit für eine kleine Feier.“
Rupert stand auf. „Na, dann will ich mal herausfinden, was Nafisah von dem künftigen Bräutigam hält.“
„Schick sie zu mir“, sagte Daphne.
„Nicht nötig. Ich lasse Tom übersetzen“, erwiderte er. „Sie wollen, dass ich mich um die Sache kümmere - weil ich jetzt ihr Vater bin.“
„Ihr Vater?“
Er nickte zerstreut und ging davon.
Fünf Minuten später war Rupert wieder zurück.
Daphne hatte noch keine Zeit gefunden, mit ihren Gefühlen ins Reine zu kommen. Bisher war es ihr nur gelungen, sich ein wenig zu waschen. Hastig tupfte sie sich das Gesicht mit dem Handtuch ab, damit er nicht sah, dass ihre Wangen nass von Tränen waren.
Ihn abermals zu lieben hatte alles noch schlimmer gemacht. Sie wusste, dass es nun das letzte Mal gewesen sein musste, doch für den Abschied war sie noch nicht bereit.
Sie benahm sich wie ein naives, gefühlsduseliges Schulmädchen. Es war, als hätte es die zehn Jahre, die seit ihrer ersten, so unbedachten Verliebtheit vergangen waren, nie gegeben.
Aber es hatte sie gegeben, und nie sollte sie vergessen, was daraus geworden war, sollte sich an jede betrübliche Begebenheit ihrer Ehe erinnern. Was hatte sie davon gehabt, blind ihren Gefühlen zu vertrauen?
So versuchte sie, sich zur Vernunft zu bringen, doch sowie er in ihrer Nähe war, wurde es ihr sehr schwer, vernünftig zu sein.
Er stand in der offenen Tür, den Kopf leicht zur Seite geneigt.
„Wir könnten heiraten“, sagte er.
Sie nahm das Handtuch vom Gesicht und ballte es sich vor dem Bauch zusammen. Hatte sie sich gerade verhört?
„Wir könnten heiraten“, wiederholte er. „So, wie es hier Sitte ist. Du bist Witwe.“
Das Herz hämmerte ihr laut in der Brust, schwer folgte Schlag auf Schlag. Etwas in ihr würde zerbrechen, etwas Bedeutsames.
„Heiraten?“, sagte sie. „Hast du dir beim Hinausgehen den Kopf am Türsturz gestoßen?“
Er lächelte. „Siehst du, das ist eines der Dinge, die ich an dir mag - dein unerschütterlicher Sinn für Humor.“
„Ich habe keinen Sinn für Humor. “
„Vielleicht merkst du es nur nicht, weil dein Verstand viel zu sehr mit gelehrten Dingen befasst ist“, meinte er.
„Das Problem ist vielmehr, dass du mich so, wie ich wirklich bin, gar nicht kennst“, entgegnete sie. „Du glaubst, ich sei mutig und interessant, aber das bin ich nicht. Die Umstände haben mich dazu gezwungen, anders zu sein, als ich es sonst bin. Sowie alles wieder seinen normalen Gang nimmt, werde ich mich im Nu zurückverwandeln in die sterbenslangweilige und humorlose Daphne, die ich eigentlich bin.“
„Weißt du noch, wie du meintest, du seist unweiblich?“, sagte er. „Du darfst dich nicht nach den Maßstäben eines verbitterten alten Mannes beurteilen.“
„Du verstehst mich nicht!“, rief sie. „Ich habe keine interessanten Hobbys. Außer meinen Studien habe ich überhaupt keine Interessen. Ich esse, trinke und atme tote Sprachen. Mein größtes Vergnügen ist es, die Hieroglyphen auf dem Rosettastein zu zählen. Eintausendvierhundertneunzehn. Der
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