Eine hinreißend widerspenstige Lady
griechische Text hat vierhundertsechsundachtzig Worte. Möchtest du wissen, welche Schlussfolgerung ich daraus ziehe?“
„Natürlich“, sagte er. „Ich liebe es, dir zuzuhören.“
„Selbst wenn du es nicht verstehst.“
„Muss ich das denn?“, entgegnete er. „Verstehst du etwa was von Kricket? Oder vom Boxen?“
„Natürlich nicht.“
„Eben. Meine Mutter ist der Ansicht, dass es besser für eine Ehe ist, wenn Mann und Frau nicht immer alles aneinander verstehen“, meinte er. „Ein Hauch von Geheimnis lässt die Ehe länger interessant bleiben, sagt sie.“
„Bei uns wäre es mehr als nur ein Hauch von Geheimnis“, befand Daphne. „Wir haben nichts gemeinsam.“
Seine dunklen Brauen schossen in die Höhe.
„Lust zählt nicht“, kam sie ihm zuvor. „Darauf lässt sich keine Beziehung aufbauen, die ein Leben lang halten soll. Wir sind keine Ägypter. Wir können uns nicht mit ein paar Worten und ohne Schande scheiden lassen - zumindest ich kann das nicht.“ Nach kurzem Überlegen meinte er: „Mit anderen Worten, du sagst Nein.“
„Es ist besser so“, sagte sie. Verzweifelt versuchte sie sich zu erinnern, was bei solcher Gelegenheit zu sagen war. Irgendwann musste sie es gewiss irgendwo gelesen haben. „Ich fürchte, wir würden nicht zueinanderpassen ... auf lange Sicht gesehen. Aber danke für das Angebot. Das war sehr ... nett.“
„Nett“, wiederholte er. Dann lachte er kurz auf und ging davon.
Bei Einbruch der Nacht hatte Daphne sich wieder im Griff. Eigentlich blieb ihr auch keine andere Wahl, denn die Hochzeitsvorbereitungen standen an.
Bald nachdem Mr. Carsington gegangen war, kamen Lina und Nafisah mit der frohen Kunde herbeigeeilt. Nafisah war mit Yusuf einverstanden. Sie sei sehr erfreut, denn sie wünsche sich noch ein Baby. Yusuf war jung und kräftig und würde ihr viele Kinder schenken. Außerdem sah er gut aus, und nett war er auch. Immer wieder küsste sie Daphnes Hand und dankte ihr.
„Was habe ich damit zu tun?“, fragte Daphne. „Du warst es, die sein Herz gestohlen hat.“
„Wenn Sie mich im Dorf zurückgelassen hätten“, erwiderte Nafisah, „wäre Sabah jetzt tot und ich wäre die vierte Frau eines übellaunigen Mannes.“
Wie Virgil, dachte Daphne sogleich. Er hatte so freundlich und fromm gewirkt, doch es war eine Maske, von der sie sich hatte täuschen lassen. Sie hatte geglaubt, es sei ihre Schuld, wenn er etwas an ihr auszusetzen fand, und dabei gar nicht bemerkt, dass sie den Launen eines übellaunigen, unzufriedenen Mannes ausgeliefert war.
Aber sie war damals so jung gewesen, älter zwar als Nafisah, hatte aber doch sehr wenig Lebenserfahrung. Mädchen - auch keine sehr klugen Mädchen - schickte man nicht aufs Internat, und erst recht nicht zur Universität. Sie war zu Hause von ihrem Vater unterrichtet worden und hatte ein ruhiges, abgeschiedenes Leben geführt.
Doch sollte sie ihren Gefühlen nie mehr trauen dürfen, nur weil sie sie vor so langer Zeit getrogen hatten?
Mangelte es ihr, was Männer anbelangte, hoffnungslos an Urteilskraft, oder hatte sie damals einfach in jugendlichem Leichtsinn einen Fehler gemacht?
Sie war sich nicht sicher, und heute blieb ihr auch keine Zeit, darüber nachzudenken. Obwohl die Hochzeit keine große Sache war, sollte es doch Anlass zum Feiern sein. Geschäftig machte sie sich an die Vorbereitungen. Als das Boot am Abend vor Anker ging, war das Bankett bereit und Nafisah in einige von Daphnes arabische Kleider gewandet.
Gerade trug die Braut schwarzen Kohlstift um die Augen ihrer kleinen Tochter auf, als der Mungo aufgeregt fiepend hereingerannt kam.
„Was um alles in der Welt ...“ Daphne verstummte, als sie draußen unbekannte Stimmen vernahm.
Lina spähte durch die Fensterläden. „Beamte aus der Stadt“, verkündete sie mürrisch. „Sie werden uns das Essen wegnehmen und sagen, das sei Bootssteuer.“
Der Mungo flitzte wieder hinaus. Daphne schob Lina vom Fenster weg und sah selbst hinaus. Marigold rannte an Deck, stellte sich drohend auf die Hinterbeine, und das Fell stand ihr zu Berge, als habe sie gerade eine Kobra gesichtet.
Daphne trat an die Kiste mit den Pistolen, holte zwei hervor und lud sie mit zitternden Händen.
Die Stimmen klangen ruhig und friedlich, doch sie traute dem Frieden nicht. Zwar wusste sie nicht, was dort draußen los war, aber sie war sich ganz sicher, dass etwas nicht stimmte.
„Nehmt euch Messer und was ihr sonst noch an Waffen findet“, flüsterte sie den
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