Eine hinreißend widerspenstige Lady
versperren. Die Öffnung ist nicht groß: ein Meter siebenundzwanzig hoch und etwas mehr als einen Meter und fünf breit. Man bräuchte nur ein paar große Steine vor den Eingang zu rollen.“ „Das würde den Pyramidenführern auffallen. Und es dürfte ihnen bestimmt nicht gefallen, wenn jemand den Zugang blockiert“, wandte er ein. „Immerhin leben sie davon, Besucher durch die Pyramiden zu führen.“
Ja, ja. Natürlich. Warum hatte sie nicht selbst daran gedacht? Weil sie gerade ihren schlimmsten Albtraum durchlebte, auf engstem Raum in absoluter Finsternis gefangen war. Panik schnürte ihrem Verstand und aller Vernunft die Luft ab.
Sie war völlig verloren und klammerte sich blindlings an seine Hand, während sie sich langsam, doch zumindest ungehindert ihren Weg durch den größeren, horizontal verlaufenden Korridor bahnten. Als sie den kleineren, leicht abfallenden erreichten, musste sie seine Hand loslassen und ihm gebückt folgen.
Natürlich wusste sie, dass sie in dem niedrigen Gang nicht weiter seine Hand halten konnte. Der winzige Teil ihres Verstan-des, der noch einigermaßen funktionierte, sah das durchaus ein. Und doch fühlte sie sich elend, verloren und allein, als sie seine Hand losließ.
Sie schalt sich, nicht kindisch zu sein, und folgte ihm so dicht wie möglich, lauschte jedem seiner Schritte, während sie sich mit beiden Händen an den Wänden des Tunnels abstützte.
Wenngleich sie wusste, dass sie kaum mehr als ein paar Schritte gegangen sein konnten, kam es ihr wie eine halbe Ewigkeit später vor, als er seine Hand nach hinten streckte und dabei an ihren Turban stieß.
„Ich glaube, wir sind am Schacht“, sagte er leise. „Die Decke ist hoch genug, sodass Sie wieder aufrecht stehen können. Aber warten Sie hier, bis ich die Leiter gefunden habe.“
Schon wieder warten! Daphne hörte leises Geraschel und dann sein ihr mittlerweile vertrautes Gemurmel, das sie jedoch nicht verstehen konnte. Etwas lauter meinte er: „Sie sollten sich besser von mir tragen lassen.“
„Haben die Schurken die Leiter zerstört?“, fragte sie.
„Nein. Wo zum Teufel stecken Sie?“ Er sprach knapp und kühl. Sie spürte seine Hand auf ihrem Arm, die andere an ihrer Hüfte. „Wo ist Ihre Taille, verflixt noch mal?“
Obwohl es im Innern der Pyramide alles andere als kalt war, war sie sich noch einer ganz anderen Wärme bewusst, wo er sie berührte. Seine Stärke weckte in ihr das kindische Bedürfnis, sich an ihn zu lehnen.
Rasch wich sie zurück. „Ich kann allein hinauf steigen“, wehrte sie ab. „Immerhin bin ich ja auch allein hinabgestiegen.“
„Wie Sie wünschen, Madam. Versuchen Sie aber, nicht auf die Leichen zu treten.“
„Leichen“, wiederholte sie.
„Sie sind noch nicht lange tot. Entweder sind sie gestürzt, oder man hat sie hinabgeworfen.“
„Ach herrje.“
„Fallen Sie nicht in Ohnmacht“, sagte er. „Ich habe die beiden so gut wie möglich beiseitegeschoben, aber viel Platz ist nicht. Wenn ich Sie auf die dritte Sprosse hebe, sollten Sie nichts davon bemerken.“
Sie musste ein Schaudern unterdrücken. Wenn sie sich jetzt nachgäbe, würde sie bald am ganzen Leib zittern.
„Also gut“, sagte sie und tastete in das Dunkel, wo sie seine Schulter vermutete. Und sie fand sie, fest und warm. Nur das dünne Linnen seines Hemdes war zwischen ihrer Hand und seiner Haut. Eine Fülle unbenennbarer Gefühle regte sich in ihr -eine drängende, prickelnde und erregende Erinnerung an ihre Jugend und doch-noch-nicht-ganz-vergessene Sehnsüchte.
Sie verdrängte sie rasch und tastete von seiner Schulter hinab zu seiner Hand, nahm sie und legte sie an ihre Taille. „Hier“, sagte sie atemlos.
Zwei große, starke Hände umfingen ihre Taille. „Was zum Teufel ist das?“, fragte er.
„MeineTaille“, erwiderte sie.
„Nein, ich meine das Ding, das Sie sich umgeschlungen haben. Haben Sie da Steine drin?“ Er klopfte prüfend auf ihre Hüfte.
„Das ist ein hezam“, klärte sie ihn auf.
„Ein was?“
„Ein Tuch, das man sich um die Taille schlingt. Sehr praktisch, um Sachen darin unterzubringen - beispielsweise meine Messer.“
„Wissen Sie überhaupt, wie man mit einem Messer umgeht?“
„Ich weiß, dass man es beim Griff fasst und mit der spitzen Seite zusticht“, flüsterte sie gereizt. „Müsste ich noch mehr wissen?“
„Halten Sie es mit der scharfen Seite der Klinge nach oben. Leichtere Handhabung, bessere Treffer.“
„Oh“, meinte sie.
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