Eine hinreißend widerspenstige Lady
Schrei. Unsere beiden Führer machen sich samt den Fackeln davon, und wir sind der Gnade dessen ausgeliefert, der so unmenschlich geschrien hat.“
Ihre Stimme war ganz nah. Rupert streckte die Hand aus und bekam eine stoffbedeckte Rundung zu fassen.
Mrs. Pembroke keuchte und erstarrte. Dann schlossen sich ihre Finger kalt um die seinen und hoben sie hinfort.
„Ich kann nicht einmal meine Hand vor Augen sehen“, sagte sie, „aber Sie schaffen es mühelos, meine Brust zu finden.“
„Was Sie nicht sagen“, erwiderte er. „Welch unglaubliches Glück.“ Und welch ein herrlicher Busen!
„Sollten wir hier jemals heil herauskommen“, zischte sie, „ziehe ich Ihnen die Ohren lang.“
„Wir kommen hier raus“, versicherte er ihr.
„Wenn sie die Steine wegstoßen, die die Falltür stützen, sitzen wir hier fest.“
„Zu viel Arbeit“, befand er. „Es ist einfacher, uns im Dunkeln aufzulauern und uns zu meucheln.“
„Stimmt“, meinte sie. „Meine Gedanken kreisten einzig darum, hier unten lebendig begraben zu werden. Mit Ihnen. Ich wüsste gar nicht, worüber wir reden sollten, während wir elendig zugrunde gingen.“
„Reden?“, fragte er. „Wollen Sie so Ihre letzten Stunden verbringen? Wie interessant. Kommen Sie, nehmen Sie meine Hand. Bislang hat man zumindest noch nicht versucht, uns die Kehle durchzuschneiden. Wir sollten zusehen, dass wir hier herauskommen.“
„Wo ist Ihre Hand?“
Sie tasteten in der Dunkelheit herum, wobei er auch ihre andere Brust zu fassen bekam. Abermals keuchte sie leise und gab etwas wenig Schmeichelhaftes von sich. Doch schließlich lag ihre schmale Hand in der seinen. Sie passte perfekt. Seine Stimmung hob sich noch ein wenig mehr, und sein Herz schlug schneller als zuvor.
„Ihre Hand ist warm“, bemerkte sie vorwurfsvoll. „Macht Ihnen gar nichts Angst?“
Er ging dorthin, wo er die Tür vermutete. „Das nicht“, meinte er. „Erstens bin ich bewaffnet, und zweitens sollte es ganz einfach sein, hier herauszufinden.“
„Wenn man etwas sehen könnte, wäre es wirklich ganz einfach“, entgegnete sie.
Mit seiner freien Hand tastete er sich vor und fand schließlich den steinernen Türrahmen. „Und wenn nicht?“
„Mir fällt ein halbes Dutzend Möglichkeiten ein, wie wir hier unten umkommen könnten“, sagte sie. „Mit oder ohne fremde Hilfe.“
Daphne wusste, dass sie dummes Zeug redete, aber reden half ihr, ihre Gefühle in Schach zu halten.
Bislang hatte sie sich noch die vage Hoffnung zugestanden, dass ihre Sorge um Miles wirklich so unbegründet wäre, wie die Herren in Kairo sie hatten glauben machen wollen. Wider alle Vernunft hatte sie gehofft, dass Miles nicht in Gefahr war und dass Ahmed entweder log oder aber den Zwischenfall in der Altstadt falsch gedeutet hatte.
Doch der Schrei und die plötzliche Flucht der Pyramidenführer schienen ihr kein Zufall zu sein, und so verflüchtigte sich auch diese letzte Hoffnung.
Und sie flüchtete sich in Fakten.
„Der Weg, den wir gekommen sind, ist einer von zwei Zugängen zur Pyramide“, erklärte sie. „Unter dem Eingang, den wir genommen haben, gibt es noch einen weiteren Tunnel, der parallel zu dem oberen verläuft und zu einem absteigenden Korridor führt, der später wieder auf den oberen stößt. Der untere Eingang ist allerdings noch nicht freigeräumt.“
„Es gibt also nur einen Ausgang“, schloss Mr. Carsington.
„Ja, aber man kann sich leicht verlaufen“, sagte sie. „Wir könnten die falsche Abzweigung nehmen. Der untere Korridor hat auch einen Schacht und eine Seitenkammer, wenn ich mich recht erinnere.“ Sicher war sie sich nicht. Die Panik, die sie zu unterdrücken versuchte, ließ sie ganz konfus werden.
Was keineswegs heißen sollte, dass sie Mr. Carsington ihren Zustand offenbaren würde.
„Ich will hoffen, dass Sie einen untrüglichen Orientierungssinn haben“, fuhr sie kühl fort.
„Den habe ich tatsächlich“, erwiderte er - ganz Zuversicht und männliche Überlegenheit.
„Das zu hören freut mich“, sagte sie. „In solcher Fins ternis kann es nämlich schnell passieren, dass man die Orientierung verliert und in immer denselben Gängen umherirrt. Oder in einen Schacht stürzt.“
„Dann sollten Sie sich besser dicht an mich halten“, meinte Mr. Carsington.
„Und Sie sollten besser bedenken“, fuhr sie gereizt fort, „dass selbst dann, wenn uns kein solches Malheur ereilt, immer noch die Möglichkeit besteht, dass die Schurken den Ausgang
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