Eine hinreißend widerspenstige Lady

verbrachte?
    Sie würde sich nicht ewig vor ihm verstecken können.
    Doch sie wusste, dass sie bei der nächsten Gelegenheit Amok laufen würde.
    Mir scheint, du bist ein bisschen ungestüm, Daphne.
    Es tut mir leid.
    Du bist noch jung. Mit der Zeit wirst du lernen, deine Leidenschaften zu zügeln.
    Bevor Virgil es ihr gesagt hatte, war sie sich nicht bewusst gewesen, dass ihre Leidenschaften widernatürlich und zu zügeln seien. Und wer hätte auch geahnt, als wie unbezähmbar sie sich erweisen würden ... durchtriebene Geschöpfe: ihr ungestümes Wesen ... die Rastlosigkeit ... das Verlangen, so dringlich wie Hunger oder Durst.
    Einen schrecklichen Moment lang hätte es sie fast bezwungen.
    Es hatte sich so herrlich angefühlt, seinen Körper auf dem ihren zu spüren. Das war gar nicht gut, das wusste sie. Animalische Empfindungen, animalische Instinkte, ganz auf Angriff ausgerichtet, nur einen Herzschlag davon entfernt, die Arme nach ihm auszustrecken, sein Gesicht an sich zu ziehen und ...
    Die Tür flog auf.
    „Wie konnten Sie nur!“, ertönte seine tiefe Stimme. „Ich dachte ja, mich könne nichts schockieren, aber Sie haben es tatsächlich fertiggebracht! “
    Ihr wurde heiß und kalt vor Scham. „Ich ..."
    „Die waren von John Manton.“ Mr. Carsington ließ sich neben sie auf den Diwan sinken. „Ich war den Tränen nahe.“
    „Sie ... Diese ... Ich ..." Sie holte tief Luft und rief ihren Verstand zur Ordnung. „Wer ist John Manton?“
    Ungläubig sah er sie an. Im von den Fensterblenden gebrochenen Licht wirkten seine Züge sanft und weich. Das, und seine fassungslose Miene, ließen ihn einen Moment lang wie den unschuldigen Jungen aussehen, der er vor langer Zeit einmal gewesen sein musste. Vor sehr langer Zeit.
    „Wer John Manton ist?“, wiederholte er. „Wer John Manton ist?“
    „Sollte ich ihn kennen?“, fragte sie.
    Eine Weile sah er sie schweigend an. „Sie meinten, Sie seien kein aufregendes Leben gewohnt, woraus ich schließe, dass Sie sehr zurückgezogen gelebt haben“, sagte er dann. „Haben Sie womöglich in einer Höhle gelebt? Oder in einem Kloster?“
    Sie faltete die Hände in ihrem Schoß. „Ich sagte Ihnen, dass ich wohl ein wenig weltfremd sei“, erwiderte sie. „Ich gehe wenig aus.“
    „Waren Sie schon mal in London?“
    „Natürlich. Der Rosettastein befindet sich ja im Britischen Museum. Ebenso die Büste des jungen Memnon. Selbstverständlich war ich auch oft in London, um Vorträge zu besuchen. Bei der Gelegenheit habe ich übrigens Ihre Cousine Tryphena kennengelemt.“
    Er schüttelte den Kopf. „Ihre Unwissenheit ist unfassbar. Sogar meine Cousine Tryphena weiß, dass die Gebrüder Manton aus der Dover Street die besten Büchsenmacher Englands sind, vielleicht gar die besten der Welt. Ich will nur hoffen, dass die beiden Pistolen nicht Ihrem Bruder gehörten - durchaus verständlich, wenn er Sie deswegen verstoßen würde.“
    „Vor unserer Abreise aus England haben wir zahlreiche Geschenke gekauft“, sagte sie. „Mr. Belzoni hat ausdrücklich darauf hingewiesen. Einer seiner französischen Rivalen hatte nämlich die Gelegenheit, die Büste des jungen Memnon für Frankreich zu erwerben, dadurch verspielt, dass er den Scheich mit einem recht dürftigen Geschenk - eingelegten Anchovis - brüskierte.“
    Mr. Carsingtons Miene nahm tragische Züge an. „Zwischen eingelegten Anchovis und einem Paar bester Mantons liegen Welten!“
    „Das weiß ich auch“, erwiderte sie. „Miles meinte, die Pistolen seien für außergewöhnliche Freundschaftsdienste. Scheich Salim hat uns vor dem Kerker bewahrt - vielleicht sogar vor dem Henker. Er hat Himmel und Erde in Bewegung versetzt, um dieses Boot für uns aufzutreiben. Zudem war es ausgesprochen liebenswürdig von ihm, mich zu der Feier einzuladen und sich sogar mit mir zu unterhalten.“
    Mr. Carsington zuckte unbeeindruckt die Achseln. „Er hat zuvor nicht mit Ihnen gesprochen, weil er dachte, es gehöre sich nicht. Sowie er darüber aufgeklärt war, dass englische Sitten ihm durchaus erlauben, sich mit einer Dame zu unterhalten, war er mehr als angetan. Er meinte, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass eine Frau einen so gewaltigen Verstand haben könne - und mir war bislang nicht bewusst, dass darin so gewaltige Wissenslücken klaffen.“
    „So ein Theater wegen ein paar Pistolen! Haben Sie gesehen, wie sehr er sich darüber gefreut hat?“
    „Natürlich hat er das. Wer würde sich darüber nicht freuen? Es sind