Eine hinreißend widerspenstige Lady
nachgestellt hatte, als sie das kleine Boot zu Wasser lassen wollten.
Lord Noxley hörte sich die Geistergeschichte schweigend an. Ab und an nickte er, was sie für Ermunterung und Verständnis hielten, derweil die unsichtbare Donnerwolke immer dunkler und bedrohlicher wurde. Schließlich winkte er sie fort und wies sie an, sich auf der Memnon nützlich zu machen.
Dann brach er mit Ghazi auf, um dem kashef, dem hiesigen Repräsentanten des Paschas, einen Besuch abzustatten.
Unterwegs erstattete Ghazi seinem Herrn einen weniger verworrenen Bericht der Ereignisse. „Meine Leute entern das Boot und kappen die Vertäuung. Alle kämpfen, niemand steuert, das Boot treibt ab und läuft auf eine Sandbank. Diese beiden Männer waren die letzten, die an Bord kamen.“
„Und laufen vor einem Geist davon, der ,so groß wie ein Riese und bleich wie ein Leichentuch' war“, zitierte Seine Lordschaft kopfschüttelnd.
„Das war Ihr englischer Freund“, sagte Ghazi. „Er wusste nicht, dass es meine Leute waren. Vielleicht dachte er, es sind Diebe aus dem Dorf. Er will fliehen und braucht das Boot. Sehr schlau gemacht.“
„Das will ich meinen“, befand Seine Lordschaft. „Archdale ist nämlich ein Genie.“
„Ich bin sofort gekommen, als ich davon hörte“, fuhr Ghazi fort. „Duval hat im Süden Gefolgschaft. Faruq ist dahin unterwegs. Mittlerweile werden sie von dem Geist gehört haben, und Faruq wird wissen, wer es ist, denn er ist nicht dumm. Ich bin gekommen, um Ihren Freund vor Duvals Leuten zu finden.“
Die Donnerwolke lichtete sich ein wenig. „Sehr schlau“, meinte Seine Lordschaft.
Dergestalt ermuntert, fuhr Ghazi fort: „Meistens wird der Geist am östlichen Ufer gesichtet, bei den Felsengräbern zwischen Zawyet el-Amwat und Beni Hassan.“
„Eine Strecke von fünfzehn Meilen“, meinte Lord Noxley und blickte zum gegenüberliegenden Ufer. „Und überall Felsengräber in den Bergen. Ganz zu schweigen davon, dass wohl kaum einer das Gespenst wirklich gesehen haben dürfte. Die Araber sind so leichtgläubig. Glaubt einer, ein Gespenst gesehen zu haben, sehen auf einmal alle Geister und Dämonen. Wahrscheinlich ist Archdale gar an mehreren Orten zugleich gesichtet worden. Ihn zu finden könnte Wochen dauern.“
„Stimmt, sie sehen ihn überall“, pflichtete Ghazi ihm bei. „Aber ein so kluger Mann hält sich von den Dörfern fern und bleibt bei den Felsengräbern. Es ist nicht unmöglich, ihn zu finden - besonders dann nicht, wenn der kashef hilft. Er hat viele Spione.“
„Dann bedarf es nur noch eines Bakschisch“, sagte Seine Lordschaft. „Ich kümmere mich darum.“ Nachdenklich ging er weiter und meinte nach einer Weile: „Ich überlasse es besser dir, Archdale zu finden. Faruq muss noch gefasst werden.“
„Er weiß, dass wir ihm auf der Spur sind, und wird seine Pläne ändern“, sagte Ghazi. „Ich glaube nicht, dass er in Beni Hasan auf Duval wartet. In Dendera sind viele Franzosen. Bestimmt geht er dorthin.“
„Ich weiß genau, worauf diese Franzosen es abgesehen haben“, sagte Seine Lordschaft düster. „Zum Teufel mit ihnen. Man hat den Barbaren erlaubt, die Sternendecke aus dem Tempel der Hathor abzutragen. Aber den Papyrus werden sie nicht bekommen. Sobald wir mit dem kashef fertig sind, breche ich auf.“
Schweigend gingen sie weiter. Kurz vor dem Haus des Beamten fragte Ghazi: „Diese beiden Männer, die Feiglinge ... Wie wünschen Seine Lordschaft mit ihnen zu verfahren?“
„Du sollst Archdale finden“, beschied Lord Noxley. „Die Feiglinge überlass mir.“
Der Wind, der sich am vorigen Abend gelegt hatte, frischte am nächsten Morgen wieder auf - diesmal zu ihren Gunsten. Zu Daphnes Erleichterung blies er stark und stetig und brachte die Isis rasch flussaufwärts voran. Sie konnten verlorene Zeit wiedergutmachen und erreichten Beni Suef in weniger als drei Tagen.
Natürlich lockten sie die Sehenswürdigkeiten. Westlich des Dorfes lagen die Überreste des antiken Herakleopolis. Eine Wüstenstraße am Ostufer führte zu den Koptenklöstern der Heiligen Paulus und Antonius. Es war schier unmöglich, die Gegend zu passieren, ohne nicht einen Anflug von Entdeckerlust zu verspüren.
Aber nur einen Anflug. Miles zu finden war ihr wichtiger, als antike Stätten zu besichtigen. Später würden sie noch alle Zeit der Welt haben, Ägypten zu bereisen. Gemeinsam - so, wie sie es geplant hatten.
Und in der Zwischenzeit würde sie sich, wenn schon nicht reinen
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