Eine hinreißend widerspenstige Lady
„Sie sagten gerade Was hatte er gesagt?
„Sie scheinen nicht ganz bei der Sache zu sein.“ Sein Blick schweifte an ihr vorbei zu ihren Unterlagen, die auf dem Diwan verstreut lagen. „Ah ja, natürlich ... Ramses. Die Kartuschen. Sind Sie der befiederten Dame schon auf die Schliche gekommen?“
„Eine Göttin“, erwiderte sie.
„Und was soll die Feder?“
„Daraus ließe sich wohl schließen, welche Göttin es ist“, meinte sie. „Aber derzeit tappe ich noch völlig im Dunkeln.“
Als er sich vorbeugte, um ihr über die Schulter zu schauen, erhaschte sie einen Hauch Rasierseife.
„Leicht wie eine Feder“, sinnierte er. „Federleicht. Leichtfertig. Leichtlebig. Leichtherzig. Warten Sie.“ Er schloss die Augen. „Ich habe es schon mal irgendwo gesehen. Da lag diese Feder auf einer Waagschale. Nur was lag auf der anderen Seite? Irgendetwas hielt die Waage im Lot. Es sah aus wie die Darstellung einer Urteilsverkündung. Sie riechen selbst wie eine Göttin. Nach Weihrauch.“
Er schlug die Augen wieder auf und blickte geradewegs in die ihren.
Ungläubig schaute sie in diese dunkle Tiefe und fragte sich, ob sie sich eben verhört hatte.
„Ich muss es in einem von Tryphenas Bilderbüchern gesehen haben. Eines der französischen.“ Er trat einen Schritt zurück. „Wo sind die Pistolen?“
Sie war noch immer etwas fassungslos, und so brauchte ihr Verstand einen Augenblick, bevor er diese neue Offenbarung verarbeitet hatte. Bilderbücher. Eines der französischen. „Die Description de l’Egypte ?“, rief sie dann. „Sie haben es gelesen?“
„Kein Grund, sich so aufzuregen“, beschwichtigte er sie. „Es war bei den jungen Damen sehr beliebt. Sehr praktisch, um dicht neben ihnen zu sitzen und sich gemeinsam die Bilder anzusehen.“ Er schüttelte den Kopf. „Egal. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wo ich die Darstellung gesehen habe. Tryphena hat so unglaublich viele Bücher und Zeichnungen. Vielleicht saß die befiederte Göttin ja selbst auf der Waagschale ..." Er legte die Stirn in Falten. „Ich glaube, in der anderen Schale war ein Glas oder eine Vase.“
Mittlerweile war es Daphne, als würde er mit ihrem Verstand Federball spielen.
Doch letztlich gewannen altbewährte Gewohnheiten und Leidenschaften die Oberhand. Rasch verdrängte sie seine Kenntnis von Miss Saunders’ umfänglicher Bibliothek und deren Nutzen bei der Betörung junger Damen und konzentrierte sich auf das Wesentliche.
„Meinen Sie Waagschalen wie bei der Waage der Justitia?“, fragte sie aufgeregt, wandte sich um und eilte zurück zum Diwan, wo sie nach einer der Zeichnungen griff. „Könnte es eine ägytische Göttin der Gerechtigkeit sein - ist es das, woran Sie denken?“
„Nein, Mrs. Pembroke“, wehrte er ab. „Ich denke gar nicht. Sie denken. Aber es freut mich sehr, Sie so ... erregt zu sehen. Wenn ich dennoch einen Moment Ihre Aufmerksamkeit auf anderes lenken dürfte - die Pistolen?“
11. KAPITEL
Zawyet el-Amwat Donnerstag, 12. April
Einige Meilen südlich von Minya war eine Reihe von Felsengräbern in die Berge am Ostufer des Nils geschlagen worden. Miles hatte in dem ersten, das er erreicht hatte, Zuflucht gesucht und sich darauf eingerichtet, dort zu sterben.
Doch drei Tage nachdem er sich halbtot verkrochen hatte, begann er sich zu erholen. Vorsichtshalber wartete er aber dennoch, bis die Sonne untergegangen war, bevor er sich hinauswagte, um die Umgebung zu erkunden. In ihrer abergläubischen Furcht vor Geistern und Dämonen mieden die Ägypter während der Dunkelheit die Gegend.
Die meisten Gräber befanden sich in schlechtem Zustand, manche waren auch ganz zerstört. Miles beschloss, weiter nach Süden in eine der besser erhaltenen Grabstätten umzuziehen, an deren Wänden sich Szenen aus Ackerbau und Fischfang fanden.
Die Wandbilder erinnerten ihn daran, wie hungrig er war und dass er seit Tagen kaum etwas zu sich genommen hatte. Irgendetwas hatte ihm zudem seinen Vorrat altbackenen Brotes weggefressen. Ihm blieb nichts mehr als ein Schluck Wasser.
Nach Einbruch der Nacht ging Miles zum Fluss hinunter, wo er das kleine Boot versteckt hatte.
Es war verschwunden.
Eigentlich wenig überraschend, war die Gegend doch berüchtigt und verrufen. Warum hätte man sein Boot also nicht stehlen sollen? Dann musste er es wohl genauso halten und sich auch irgendwo ein Boot suchen. Aber erst morgen.
Heute wollte er zunächst mal etwas essen.
Und so machte er sich daran, eine Angelschnur
Weitere Kostenlose Bücher