Eine hinreißend widerspenstige Lady
meinte Rupert und aß weiter. Als er wieder aufsah, bemerkte er, dass ihre grünen Augen geschäftig hin und her wanderten. Er wusste, dass sie konzentriert nachdachte - und ganz gewiss nicht darüber, ihn zu verführen. Sie zog ihre Schlüsse aus dem, was sie soeben gehört hatte. Allerdings fragte er sich, warum er er es dennoch so faszinierend fand, ihr beim Denken zuzuschauen.
„Ein Krieg“, sagte sie schließlich. „Und da Lord Noxleys Leute jetzt Miles haben, sollten wir damit rechnen, dass Duvals Leute es auf mich abgesehen haben. “
„Sie wären eine wertvolle Geisel“, bestätigte Rupert. Er zögerte kurz, bevor er hinzufügte: „Soweit ich verstanden habe, sind nun allesamt nach Süden unterwegs. Wenn Sie also meinen, dass es klüger wäre ... “
„Ganz gewiss nicht“, entgegnete sie scharf. „Ich mache jetzt nicht kehrt. Meinetwegen können sie sich ruhig wegen des blöden Papyrus bekriegen, aber ich lasse Miles nicht in den Händen von Banditen und Mördern zurück - ganz gleich, in wessen Diensten sie stehen. Ohne meinen Bruder kehre ich nicht nach Kairo zurück. Nachdem ich so weit gekommen bin, werde ich gewiss nicht davonlaufen, sowie es mal ein bisschen brenzlig wird.“
„Nun, es ist ja keineswegs der erste Zwischenfall“, gab er zu bedenken. „Haben Sie schon vergessen, wie wir in der Pyramide in der Falle saßen? Erinnern Sie sich an die beiden Toten? Und vergessen Sie nicht, dass man uns auch noch verhaftet hat. Ganz zu schweigen von dem aufregenden Rendezvous mit der Viper und der Invasion eines verrückten Mungos.“
Sie winkte ab. „Wir wussten schon recht früh, dass Duval es auch auf mich absehen könnte, um an meinen Bruder zu kommen. Das Risiko hat mich aber bereits da nicht abgeschreckt, und es wird mich auch jetzt nicht abhalten.“
„Das dachte ich mir.“ Rupert grinste töricht, aber er konnte nicht anders, denn er war ebenso töricht erfreut. Hätte sie umkehren wollen, würde er sie natürlich zurückbegleitet haben, obwohl er ihr gemeinsames Abenteuer keineswegs so rasch abzukürzen wünschte.
Entschlossen stand sie auf. „Wir machen weiter wie geplant. Lord Noxleys Leute werden sich früher oder später mit ihrem Dienstherrn treffen. Dann befreien wir Miles und lassen sie ihren Krieg ohne uns weiterführen. Zunächst muss ich jedoch meine Gedanken ordnen - und zwar allein.“ Als sie die Tür öffnete, huschte der Mungo herein, das Hemd im Schlepptau. „Marigold wird Ihnen derweil Gesellschaft leisten.“
Der Wind nahm mit jeder zurückgelegten Meile zu. Bei Sonnenuntergang legte er sich etwas, frischte früh am nächsten Morgen aber nur noch stärker auf. Glücklicherweise kam er aus der richtigen Richtung, brachte sie schnell voran und gab Daphne zudem eine Entschuldigung, in ihrer Kabine zu bleiben.
Der von den Böen herbeigetragene Wüstensand ließ es wenig ratsam erscheinen, sich an Deck zu ergehen. Lina verbrachte die meiste Zeit mit Nafisah und dem Baby und überließ Daphne dem Studium ihrer Kartuschen.
Dennoch fand sie keine Ruhe.
Sie konnte sich nicht konzentrieren. Ihre Gedanken kreisten in steter Sorge um Miles, aber das war nicht der einzige Grund ihrer Unruhe.
Sie wusste, dass sie an jenem Tag, da sie Minya wieder verlassen hatten, eine Grenze überschritten hatte. Angesichts der Umstände war ihr Gefühlsausbruch zwar durchaus verständlich gewesen, doch hatte sie nicht einmal die Hälfte dessen gesagt, was ihr tatsächlich auf dem Herzen lag.
Sie mochte ihn, und sie hing an ihm, was der dümmste aller Fehler war, weil er nämlich überhaupt nicht zu jenen Männern gehörte, die ihr Herz an irgendjemanden hängten - und schon gleich gar nicht an einen langweiligen, fast dreißigjährigen Bücherwurm.
Ratlos und missmutig starrte sie auf die Kartuschen in ihrem Notizbuch, als sie Schritte auf dem Gang und dann ein Klopfen an der Tür hörte.
Sie warf das Notizbuch beiseite, eilte zur Tür, machte sie auf -und da ging auch das Herz ihr auf und veranstaltete ein kleines Fest. Mit Tanz.
Vor ihr stand Udail/Tom mit dem Kaffeetablett, und hinter ihm stand Mr. Carsington in einer seiner Kostümierungen aus Tausendundeiner Nacht. Tief gebräunt und das schwarze Haar windzerzaust, sah er noch unbezähmbarer aus als sonst.
„Lina meint, Sie seien verärgert“, sagte er.
„Bin ich nicht“, log Daphne. „Ich habe gearbeitet.“
„Haben Sie nicht“, entgegnete er. „Sonst wären Sie nämlich voller Tintenkleckse.“ Er spähte über
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