Eine hinreißend widerspenstige Lady
sahen besorgt drein.
Rupert fing Toms Blick auf. „ Samum “, raunte der Junge. „Der Samum kommt!“
Yusuf nickte und stieß einen heftigen Redeschwall auf Arabisch aus.
Der Wind nahm zu und wirbelte Sand auf.
Mrs. Pembroke meinte: „Ich glaube, wir sollten lieber ...“
Da schrie Tom auf und zeigte gen Süden. Rupert drehte sich um. Am Horizont erhob sich eine gewaltige gelbe Nebelbank. Als aus der Feme noch ein Schrei ertönte, sah Rupert rasch wieder über die Schulter zurück und erhaschte einen letzten Blick auf die Soldaten, die eilig davongaloppierten.
„Hadid ya mashum!“, schrie Yusuf.
Und Tom rief: „Allahu akbar!“
Letzteres verstand Rupert zumindest: Gott ist groß. Eine hierzulande beliebte Beschwörung, die alles Übel bannen sollte. Wie er kürzlich erst in Minya erfahren hatte, glaubten die Ägypter, dass Geister und Dämonen auf Sandstürmen herbeigeritten kämen.
Einen sicheren Unterschlupf zu suchen wäre aber gewiss nicht unvernünftig.
„Beeilt euch!“, wies er die Jungen an. „Folgt den Soldaten.“
„Mrs. Pembroke“, rief er. Das Heulen des Windes wurde immer lauter.
„Ja, ich ...“ Die Worte gingen in einem schrillen Aufschrei unter, als ihr Esel sich aufbäumte und in die falsche Richtung davonpreschte.
Rupert gab seinem Tier die Sporen und setzte ihr nach. Der gelbe Nebel schwoll zu einer gewaltigen Sandwelle an, die geradewegs auf sie zutrieb. Just in dem Moment, da er Mrs. Pembroke fast eingeholt hatte, blieb ihr Esel jäh stehen, machte hektisch kehrt und stürzte. Rupert sprang aus dem Sattel und eilte dem gestürzten Tier und der Reiterin zu Hilfe.
Doch der Esel hatte sich schon wieder aufgerappelt, und noch bevor Rupert bei ihm angelangt war, ergriff das Tier schleunigst die Flucht. Rasch fasste Rupert seinen eigenen Esel fest beim Zaum, bevor auch der sich aus dem Staub machte.
Mrs. Pembroke versuchte aufzustehen, fiel jedoch wieder hin. „Nur mein Fuß“, stieß sie hervor, als Rupert sich neben sie kniete. „Das dumme Vieh ist draufgefallen.“
Die wogende Sandwolke türmte sich immer höher auf und wurde zu einer wirbelnden Sandhose, die geradewegs auf sie zuraste.
Mit einem Arm fasste er sie um die Taille und hob sie hoch, während er mit der anderen Hand noch immer den Zaum seines verängstigten Esels hielt. Beide - Mrs. Pembroke und den Esel -zog er mit sich zu den zerklüfteten Hängen der Bergnekropole.
Er drängte Frau und Tier in den nächstbesten Felsspalt. Dort streifte er seinen Umhang ab und ließ sich mit Mrs. Pembroke zu Boden sinken, zog sie zwischen seine angewinkelten Beine und hüllte sie beide in seinen Umhang ein. Der Esel drängte sich dicht an die zusammengekauerten Menschen.
In der nächsten Sekunde ging heulend und tosend der Sandsturm auf sie nieder.
Die Männer, die ihnen gefolgt waren, ritten geschwind zurück nach Assyut. In einem Kaffeehaus nahe dem südwestlichen Stadttor, von wo aus man einen Blick auf die Felsengräber hatte, warteten sie den Samum ab. Es gab „weißen“ und „schwarzen“ Kaffee zu trinken, wobei weiß mit Brandy versetzt meinte. Die Männer tranken weißen Kaffee. Sie waren Söldner, die für Duval arbeiteten. Ihr Auftrag war es, die rothaarige Engländerin zu entführen, der sie seit einiger Zeit folgten. Heute wäre eine gute Gelegenheit gewesen. Die Frau war nur mit ein paar Dienern und Soldaten aufgebrochen, die beim ersten Anzeichen von Gefahr das Weite suchen würden. Und der große Engländer machte ihnen keine Sorgen. Einer hatte gegen zehn gewiefte Mörder keine Chance.
Nach etlichen Tassen weißen Kaffees begannen sie jedoch wegen des Engländers uneins zu werden, hatten sie doch unlängst gehört, dass er der Sohn eines mächtigen Lords sei, der reicher sein sollte als Mohammed Ali. Einige der Söldner meinten nun, dass er lebendig mehr wert wäre als tot. Mit jeder Tasse Kaffee wurde ihre Auseinandersetzung lauter, bis der aus seinem Mittagsschlaf aufgeschreckte Torwächter herbeieilte und Ruhe verlangte. Einer der Männer namens Kharif entschuldigte sich und geleitete den Wächter aus dem Kaffeehaus. Sowie sie außer Sichtweite waren, stieß Kharif ihm ein Messer zwischen die Rippen. Er setzte den toten Torwächter wieder auf seinen Posten, wo er bis zur Wachablösung am nächsten Morgen auch blieb. Wer bis dahin das südwestliche Tor passierte, dachte einfach, die Wache schlafe mal wieder - wie üblich. Kharif fand das höchst amüsant und musste immer wieder lachen, wenn er
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