Eine hinreißend widerspenstige Lady
ebenfalls auf Männer recht anziehend wirken konnte.
Und doch war sie gerührt. Sie war bewegt. Etwas in ihr schien aufzublühen. „Oh“, sagte sie und merkte, wie ihre Wangen sich röteten. „Ein Kompliment.“
„Eine schlichte Tatsache.“ Seine Stimme, nun ganz leise, war nur noch ein tiefes Brummen, das tief in ihr widerhallte und sie erbeben ließ. „Immer wenn ich nicht verstehe, wovon Sie reden, stelle ich mir einfach vor, ich sei in einer Gemäldegalerie und Sie seien all die Gemälde in einer Person.“
Ihr war, als würde sie vor Glück vergehen. Niemand - niemand - hatte jemals so etwas zu ihr gesagt. Das war mehr als ein Kompliment. Es war ... es war ... ein Gedicht. Fast zumindest.
„Aber es ist nicht allein Ihr Aussehen“, fuhr er fort, den Blick nachdenklich in die Feme gerichtet. „Es ist Ihre Begeisterung. Die Liebe zu dem, was Sie tun. Alles wird dadurch interessant, dass Sie es gern tun. Auch wenn Sie von den scheinbar langweiligsten Dingen reden, fühle ich mich immer wie - wie heißt er doch gleich? -, als er Scheherazades Geschichten lauschte.“
Sie nahm eine kaum merkliche Veränderung an ihm wahr. Wäre er nicht der gewesen, als den sie ihn kannte, hätte sie fast gemeint, dass er errötete.
Als sein dunkler Blick wieder den ihren fand, schüttelte er den Kopf und lachte auf seine gewohnt sorglose Art. „Sie sehen, ich bin wie ein Kind, sehr leicht zu unterhalten. Was glauben Sie also, weshalb dieser Bursche - der Gott, meine ich - so einen kurzen Arm hatte?“
20. April
Es war kurz vor Tagesanbruch.
Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erhellten, brach Lord Noxleys Dahabije, die über Nacht vor Girga angelegt hatte, auf. Knapp zwei Meilen flussaufwärts steuerte die Mem-non eine Sandbank an, auf der ein halbes Dutzend Krokodile schliefen - bislang die ersten, die sie auf ihrer Reise gesichtet hatten.
Seine Lordschaft sah zu, wie die beiden Männer, die vor dem „Gespenst“ davongelaufen waren, gefesselt und über Bord geworfen wurden. Beim ersten Platschen und Schreien wachten die Krokodile auf und machten sich über ihr Frühstück her.
Die meisten an Bord waren die Methoden des Goldenen Teufels gewohnt und beobachteten das Spektakel ohne sichtbare Gefühlsregung.
Einige jedoch wandten sich ab, und zu jenen gehörte Ahmed.
Bislang hatte er Lord Noxley für einen guten Menschen gehalten. Wie Ahmeds geliebter und verehrter Herr zahlte auch dieser Engländer gut, schrie seine Untergebenen nicht an und erlaubte keine Züchtigungen.
Nun wusste Ahmed, warum ihm alle an Bord auch ohne Schreie und Schläge Gehorsam leisteten.
Ihm dämmerte, dass er einen furchtbaren Fehler gemacht haben könnte.
Und ebenso dämmerte ihm, dass sein Herr ihn nun mehr als je zuvor brauchte.
Davonzulaufen kam nicht infrage.
14. KAPITEL
Assyut, 21. April
Von starken und stetigen Winden getragen, die sich bei Sonnenuntergang legten, um sich in der Morgendämmerung mit neuer Kraft zu erheben, segelte die Isis weiter gen Süden. Vier Tage nachdem sie von Minya aus aufgebrochen waren, erreichten sie Assyut.
Die geschäftige Handelsstadt war einst Stätte des antiken Lycopolis. In der Description de l’Egypte fanden sich detaillierte Darstellungen und Ansichten einiger der kunstvolleren Felsengräber.
Nach einem einstündigen Ritt über das fruchtbare Uferland des Nils gelangte man zu der in den Bergen gelegenen Nekropole.
Die Einlasse zu den Grabhöhlen waren schon aus der Ferne deutlich zu erkennen. Am Fuße des Gebirges fand sich ein moderner Friedhof.
Die berühmten Felsengräber waren indes gar nicht das Ziel von Rupert und Mrs. Pembroke. Sie waren ins Landesinnere aufgebrochen, weil sie dort Menschen zu treffen hofften, die weniger verhalten auf ihre Fragen reagierten.
Und so hatten sie sich in arabische Gewänder gekleidet, um keinen Argwohn zu erregen, und waren mit Tom, Yusuf und zwei Soldaten aus der Stadt aufgebrochen.
Als sie auf ihren Eseln den Berghang erreichten, bemerkte Rupert, wie der Wind sich veränderte. Bereits heute Morgen hatte er etwas nachgelassen, und wenngleich er die Isis noch immer voranbrachte, hatte Rupert ebenso wie Mrs. Pembroke bedauert, dass sie wertvolle Zeit verloren. Im Laufe des Vormittags war er dann ganz zum Erliegen gekommen.
Nun jedoch, am Rande des Wüstenplateaus, frischte der Wind wieder auf, wehte jedoch aus anderer Richtung.
Eine ungute Ahnung befiel Rupert. Die Soldaten waren weit zurückgefallen, und die beiden Jungen
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