Eine hinreißend widerspenstige Lady
Sandsturms hätte verlieren können! Jetzt brauchte er einen kurzen Augenblick, um sich zu beruhigen. Nur einen Augenblick, mehr nicht.
Er hatte nicht vorgehabt einzuschlafen.
Nachdem er alles in Sicherheit wähnte, die Satteltaschen abgeladen waren und - ganz wichtig! - die lederne Wasserflasche hinter einem Felsvorsprung verstaut war und Mrs. Pembroke wohlbehalten auf einer Binsenmatte saß, hatte Rupert sich an die Wand gelehnt, um sich ein wenig auszuruhen.
Als er wieder aufwachte, war es um ihn her völlig finster.
Und heiß war es. Die Hitze überraschte ihn immer wieder, obwohl er sich mittlerweile daran gewöhnt haben sollte.
In England wäre es in den Tiefen einer solchen Höhle kalt und feucht. Hier jedoch nicht. Es war wie bei den Pyramiden - das Gestein hielt Jahrtausende heißer Wüstensonne gespeichert.
Und Abertausende von Leichen.
Hermione, die vor den toten alten Ägyptern gescheut hatte, oder von einem obskuren Esels-Aberglauben heimgesucht worden war, hatte sich nun auch beruhigt. Ihr gleichförmiges Schnarchen war nicht zu überhören. Doch ansonsten war es totenstill.
„Mrs. Pembroke“, sagte Rupert. Er streckte die Hand nach der Binsenmatte aus, die er extra für sie aus der Satteltasche geholt hatte. Die Matte war da, aber sie war fort.
„Mrs. Pembroke“, sagte er, nun etwas lauter.
Nichts.
„Mrs. Pembroke.“
Hermione schnaubte kurz, aber das war auch schon alles.
„Verflixt.“ Schlaftrunken stand Rupert auf. Im ersten Moment wusste er nicht mehr, in welcher Richtung es hinein- und wo hinausging. Dann lief er zurück zum Eingang, da er sich erinnerte, wie sie dort eine Weile die Bilder an den Wänden betrachtet hatte - was, auch nach dem eben überstandenen Schrecken, wohl nicht anders zu erwarten gewesen war.
Draußen wehte noch immer kräftig ein heißer Wind, der Sand und Gestein in den Korridor trug. Dämmriges Licht schien herein, erhellte aber nur wenig. Es ließ sich schwer sagen, wie spät es war. Und von Mrs. Pembroke keine Spur. Rupert machte kehrt und ging zurück.
„Mrs. Pembroke!“, rief er, nun hellwach. Sein Herz schlug schnell und schwer. „Mrs. Pembroke!“
Als er wieder an Hermione vorbeilief, machte sie eine schläfrige Bemerkung in Eselisch, aber von seinen laut auf dem Felsboden widerhallenden Schritten abgesehen, war das der einzige Laut weit und breit.
Rupert wusste, dass er nicht blindlings ins Innere der Grabstätte laufen konnte. Leicht könnte er gegen eine Wand rennen oder stolpern, und wenn er sich eine Gehirnerschütterung einfing, wäre er niemandem mehr von Nutzen. Er konnte kaum seine Hand vor Augen sehen, geschweige denn den Boden zu seinen Füßen. Und dieser Boden war trügerisch: Spalten und Stolpersteine lauerten im Dunkel, Tiergebeine und allerlei Unrat, über den er lieber nicht genauer nachdachte.
Sein einziger Gedanke war es, unversehrt zu bleiben und sie zu finden.
Er durfte gar nicht daran denken, was ihr dort unten - allein, in der Finsternis - alles zustoßen könnte. Sie könnte in einen Schacht gestürzt sein und bewusstlos, oder tot, dort unten in der Tiefe liegen.
„Mrs. Pembroke!“, brüllte er.
Dann ein Geräusch. Eine Stimme. Endlich! Ganz leise, wie aus weiter Ferne.
„Mrs. Pembroke, wo zum Teufel stecken Sie?“
„Oh, ich habe etwas ganz Wunderbares entdeckt! “, rief sie aus der Tiefe zurück. „Das müssen Sie sich ansehen.“
Und so stolperte er weiter, tastete sich an den Wänden scheinbar endloser Korridore entlang. Er geriet in Sackgassen, aus denen er nur mühsam wieder herausfand. Dann suchte er eine halbe Ewigkeit lang im Dunkel, bis er endlich einen Durchgang spürte, und schlängelte sich durch einen langen schmalen Gang.
Schließlich sah er einen flackernden Lichtschein vor sich und die Umrisse einer Grabkammer.
An der Rückwand der Kammer waren drei Nischen. Daphne stand in der mittleren, in der ein alter Ägypter dargestellt war, der hinter drei Frauen herlief, die Blumen trugen. Der Mann tauchte in einer anderen Darstellung wieder auf, umringt von Menschen, und schien irgendwelche Rituale zu verrichten.
Rupert nahm all das wahr, ohne es wirklich zu sehen. Seine Aufmerksamkeit galt einzig ihr, wie sie hier, lebend und unversehrt, mit ihren alten Ägyptern beschäftigt war und dabei nicht einen Gedanken an ihn verschwendet hatte, der er halb wahnsinnig vor Angst um sie gewesen war.
„Kerzen“, stellte er fest. „Sie hatten mir nicht gesagt, dass Sie Kerzen dabeihatten.“
„Ja,
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