Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
Aufschrift DAMEN erreichte, stand ihr der Schweiß auf der Stirn, sie fühlte sich von Panik und Schwindel erfaßt. Sie ging bis zur letzten Kabine in der zweiten Reihe, um möglichst weit weg von den anderen zu sein.
Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, beugte sie sich vor und klappte den Toilettensitz mit dem Fuß hoch. Sie schloß die Augen, stemmte die Fäuste rechts und links an die Metallwände und wartete. Eine Welle der Übelkeit überschwemmte sie. Sie hustete versuchsweise. Nichts. Der Schweiß hatte ihr Haar unter der Perücke durchnäßt und sickerte ihr Rückgrat hinunter.
O Gott, dachte sie. Sie würde es diesmal allein schaffen müssen. Bill konnte hier nicht hereinkommen. Wann würde er anfangen, sich zu ängstigen? Würde er jemanden schicken, um nach ihr zu sehen? Wieder schoß eine Welle hoch, und sie beugte sich tiefer. Sie wollte versuchen zu erbrechen, um sich zu erleichtern, aber sie wagte nicht, den Finger in den Hals zu stecken. Es konnte ja sein, daß sie irgendwelchen Schmutz berührt hatte. Gerade jetzt mußte sie vorsichtig sein und hatte sich angewöhnt, sich ein dutzendmal am Tag die Hände zu waschen. Eine dritte Welle stieg in ihr auf, und sie versuchte noch einmal zu erbrechen.
Nach einer Weile richtete sie sich auf. Eine vorübergehende Beruhigung? Sie wartete eine Minute und riskierte es dann, die Augen zu öffnen. Mit einem Bausch Toilettenpapier wischte sie sich Stirn und Gesicht, hob die Perücke an und tupfte den Schweiß auf, der sich hinten am Hals gesammelt hatte. Sie fühlte sich besser. Eine Gnadenfrist? An ihrem Hochzeitswochenende? Sie warf das Papier in die Schüssel.
Draußen wusch sie sich vor einem Spiegel die Hände. Ihr Gesicht war bleich und schwammig, die zusätzlichen Pfunde zeigten sich auch hier. Die Perücke war diesen Monat gewaschen und zu einem »Flip«, einer Frisur mit nach außen aufspringenden Locken, gefönt worden. Wenn Bridget den kleinen quadratischen Karton aus Brooklyn öffnete, wußte sie nie, wer sie im kommenden Monat sein würde. Eine gesetzte ältere Dame mit Pagenschnitt und Innenrolle? Eine nicht mehr ganz junge Naive mit Locken? Oder eine muntere Person, der das Haar glatt auf die Schultern fiel? Bridget schrieb immer »kein Flip« dazu, wenn sie die Perücke zum Waschen schickte (falls sie das Ding am Montagabend um achtzehn Uhr abschickte, bekam sie es am Mittwoch vor zehn zurück – vierzig Stunden, in denen sie manchmal ihre synthetische Ersatzfrisur trug), aber das Wort »Flip« ließ sich offenbar nicht ins Jiddische übersetzen. Ziemlich entsetzt hatte sie in der vergangenen Woche eingesehen, daß sie mit einem »Flip« würde heiraten müssen, da sie es nicht wagte, die Perücke selbst zu waschen. Das hatte sie einmal versucht – mit katastrophalem Ergebnis, einem wüsten Afro-Look.
Als sie aus der Toilette kam, saßen die Jungen mit nach rückwärts gekippten Stühlen am Tisch. Sie waren satt und würden gleich wieder schlafen. Bill hatte nach ihr Ausschau gehalten, aber seine Besorgnis noch unterdrückt. Sie zwang sich zu einem Lächeln, das aus Dankbarkeit für die Gnadenfrist immer natürlicher wurde. (Wem dankbar? Gott? Hatte der angesichts des elften September und der terroristischen Bedrohung nicht an anderes zu denken als an Bridget und ihre Übelkeit? Sie hörte ihren Vater sagen, was er immer gesagt hatte: Wir sind so unbedeutend wie ein Häufchen Bohnen – ein Spruch, der angst machen oder beruhigen konnte, je nach Standpunkt.
»Fertig, Jungs?« sagte sie, der Frage zuvorkommend, die Bill auf der Zunge hatte.
Die Jungen stießen ihre Stühle zurück und standen mit ihren Tabletts auf. Bill wischte etwas Vergossenes auf und trug seinen Abfall zum Container. Sie würden weiterfahren in die Berkshires, wo im Gasthof ihre Zimmer auf sie warteten. Bill und die Jungen würden Smoking tragen, und Bridget würde sich in das Kostüm aus pinkfarbenem Wollbouclé zwängen. Agnes, Harrison und Rob würden einen Toast ausbringen, und morgen würden Bill und Bridget getraut werden.
Die beiden Erwachsenen und die beiden Halbwüchsigen traten in die Sonne hinaus. Bridget spürte die milde Luft an ihrem Hals und in ihrem Nacken. Sie war froh – so froh! –, daß ihr nicht übel war. Sie hakte sich bei Bill unter, und er freute sich darüber. Gab es etwas Schöneres, als sich wohl zu fühlen? Einfach nur wohl zu fühlen?
HARRISON STIEG den Hang hinter dem Gasthof hinauf. Die kahlen Bäume sprachen von Winter, die laue
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