Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
einen Tropf gelegt, es fröstelte sie, als sie es sah. Hierher, in dieses Krankenhaus, kam sie selbst regelmäßig zur Chemotherapie. Sie fragte eine Schwester, ob Matt der Magen ausgepumpt worden sei, und erhielt die Auskunft, daß es dafür zu spät gewesen sei.
Sieben Stunden saß Bridget in dem engen Raum an Matts Bett, während Schwestern und Ärzte kamen und gingen und undefinierbare, häufig unangenehme Gerüche ihr zusetzten. In der nächsten Kabine, keinen Meter von Bridgets Platz entfernt, jammerte ein alter Mann über unerträgliche Schmerzen im Unterleib. Ein Arzt kam und teilte Bridget mit, daß Matts Blutalkoholkonzentration noch immer sehr hoch sei. Er schätzte, daß sie morgens um eins fast tödlich gewesen sein mußte. Ihr Sohn war einem Nierenversagen nahe gewesen.
Matt, der jetzt durchdringend nach Alkohol roch, erwachte ab und zu aus der Bewußtlosigkeit, sprach aber nur wirres Zeug. Bridget war hin und her gerissen zwischen Zorn und Kummer. Was hast du dir nur dabei gedacht? rief sie erregt und flüsterte im nächsten Moment: Ich hab dich so lieb . Solange Matt am Tropf hing, erfuhr Bridget, würde er von dem Kater verschont bleiben, den sie ihm wünschte, damit ihm gründlich bewußt wurde, was er getan hatte.
Sie telefonierte. Mit Bill (entsetzt). Mit Lucas’ Eltern (entsetzt und entgeistert). Mit Matts Schule (wo man bereits von der Polizei unterrichtet worden war). Was zu Beginn so beängstigend gewesen war – noch zwei Schlucke mehr, und Matt hätte sterben, seine Nieren schädigen, an seinem Erbrochenen ersticken können –, wurde ermüdend, während Bridget zusah, wie Matts Urin in einen Plastikbeutel neben ihrem Knie tropfte. Nachmittags um drei mußte Bridget sich mit Gewalt an den Ernst der Lage erinnern und sich die Worte »beinahe gestorben« hersagen, um sich aus der Lethargie zu reißen.
Schweigend fuhren Mutter und Sohn später nach Hause. Zuerst weigerte sich Matt, ins Haus zu gehen. Beinahe eine Stunde lang saß er mit gekreuzten Beinen in der Einfahrt und schluchzte und weigerte sich, Bridget zu sagen, warum. Nicht mehr am Tropf, bekam Matt jetzt die Übelkeit und die Kopfschmerzen eines Katers zu spüren, und sie hörte ihn von Zeit zu Zeit oben im Badezimmer erbrechen. ( Gut, dachte sie.) Bridget fand in ihrer gespannten Wachsamkeit erst nach drei Uhr morgens zur Ruhe, weil sie immer wieder nach ihrem schlafenden Sohn sehen und ihn jedesmal sicherheitshalber kurz wecken mußte. Schließlich goß sie, bevor sie zu Bett ging, noch allen Alkohol weg, der sich im Haus befand: zwei Flaschen Rotwein, eine Flasche Weißwein, eine kleine Flasche Whiskey, von deren Vorhandensein im Schrank sie nicht einmal gewußt hatte, und schließlich ein Sechserpack Bier aus dem Kühlschrank, was völlig unsinnig war, da Bill es beinahe mit Sicherheit nach seiner Rückkehr ersetzen würde. Bier war nicht das Problem.
Am folgenden Morgen stand Matt ohne Theater auf und nahm kleinlaut ein ordentliches Frühstück zu sich. Als er am Nachmittag nach Hause kam, verschlang er gierig Selleriestangen mit Guacamole-Dip und erzählte ihr dabei verlegen, wie es zu dem Alkoholexzeß gekommen war. Aus einer Wette war ein Heidenspaß geworden, und die beiden Jungen, die nicht wußten, wann es Zeit war aufzuhören, hatten sich sinnlos betrunken. Nach dem Motto, je mehr, desto besser, hatten sie die Flasche hin und her gehen lassen, bis sie leer gewesen war.
Nach der Sache mit dem Alkohol hatte Matt allmählich zu seiner meist angenehmen Wesensart zurückgefunden, und Bridget fragte sich manchmal, ob die Erfahrung nicht eine Art Katharsis für ihren Sohn gewesen war, ob dieser beinahe tödliche Exzeß und die Tatsache, daß er ihn überlebt hatte, ihn nicht von seiner Furcht vor dem Tod (ihrem Tod) befreit hatte.
»Wollen wir irgendwo anhalten und einen Kaffee trinken?« fragte Bridget und zog ihren Fuß vom Armaturenbrett. »Die Jungs sind wahrscheinlich schon halb verhungert.«
»Sie sind immer halb verhungert.« Bridget sah Bill an. Sie lebte seit beinahe zehn Jahren ohne Ehemann. Bill gehörte zu den seltenen Menschen, die die Begabung besaßen, das Gute im anderen hervorzurufen. Er tat es bei ihr. Bei Matt. Und zweifellos bei den ungefähr zweihundert Angestellten seiner Software-Firma.
»Was ist?« fragte Bill lächelnd.
»Nichts«, antwortete sie.
»Komm schon«, sagte er.
»Ich kann nicht glauben, daß wir das wirklich tun«, sagte sie.
Er nahm eine Hand vom Lenkrad und zog Bridget an
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