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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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wieder an die NYU kamst?«
    »Carl war verheiratet und hatte zwei Söhne. Seine Frau hatte seine früheren Affären mehr oder weniger geduldet. Aber jetzt wollte Carl sich von ihr trennen. Das wollte sie sich nicht gefallen lassen.
    Sie war nicht bereit, ihm zu verzeihen, daß er sie mit zwei Kindern im Stich ließ und noch dazu demütigte. Wobei man sagen könnte, daß sie schon viel früher gründlich gedemütigt worden war.«
    »Du hast anscheinend Verständnis für sie.«
    »Ja«, antwortete sie. »Jetzt. Damals nicht. Verliebtheit macht egoistischer. Carls Frau rächte sich mit einer Klage auf das alleinige Sorgerecht für die Jungen. Er nahm sich einen guten Anwalt und war überzeugt, er würde siegen, aber es kam anders.«
    »Das muß für euch beide schlimm gewesen sein.«
    »Wenn – wenn ein Mann Frau und Kinder wegen einer anderen verläßt, lastet auf dieser anderen eine schwere Bürde. Sie muß das Opfer wert sein.«
    Harrison blies in seinen Kaffee. »Das warst du bestimmt.«
    »Niemand ist ein solches Opfer wert. In Carls Fall war es noch schlimmer. Damit sich das Opfer lohnte, mußte jedes Wort leuchten.«
    Harrison sah Judy in der Ecke Geschirr abräumen.
    »Bei einem unvergleichlichen Werk könnte man später vielleicht sagen, die künstlerische Größe sei diesem Opfer entsprungen«, fügte Nora hinzu.
    »Ich denke, damit sich das Opfer lohnt, wie du es formulierst, bedarf es nur eines wahrhaft großen Gedichts.«
    »Und glaubst du, es gibt eines?« fragte Nora.
    »Aber ja, natürlich«, sagte er. »Es gibt viele wahrhaft große Gedichte. Ich weiß, daß The Red Suitcase von vielen als seine beste Arbeit betrachtet wird, aber ich persönlich finde The Fourth Canto am besten.«
    Nora sagte nichts, und Harrison nahm das Schweigen als Zeichen dafür, daß sie anderer Meinung war.
    »Du kennst das Werk wahrscheinlich genau«, sagte er.
    »Das ist doch klar. Ich mußte alles hundertmal tippen.«
    »Tatsächlich tippen?«
    »Früher, ja.«
    »Mit Kohlepapier und dem ganzen Drum und Dran?«
    »Carl hat sich erst spät mit dem Computer angefreundet. Ich glaube, was ihn schließlich lockte, war die Verheißung auf Pornographie.«
    Harrison war überrascht über diese intime Enthüllung, in der so vieles mitschwang. Unbefriedigende eheliche Sexualität? Bitterkeit? Verrat? Oder war es nur ein Scherz, den er nicht verstanden hatte?
    »Carl schrieb immer morgens in seinem Arbeitszimmer«, sagte Nora. »Er setzte sich gleich nach dem Aufstehen an den Schreibtisch, und ich bekam ihn meist erst gegen Mittag zu sehen.«
    »Er hat immer morgens geschrieben?«
    »Ja, er sagte, alles nach zwölf Geschriebene sei das Papier nicht wert. Er konnte sehr kratzbürstig sein, wenn er aus dem Arbeitszimmer kam, und es war meistens unmöglich, mit ihm zu reden. Ich glaube, er haßte es, sich aus dem Traumzustand herausreißen zu müssen, in dem er schrieb. Ich sagte immer, er solle doch eine Dusche nehmen. Aber er wollte eigentlich nur dasitzen und zum Fenster hinausschauen. Ich war in diesen Momenten wirklich nicht gern mit ihm zusammen. Wenn ich anfing mit ihm zu reden, oder er mit mir, endete es unweigerlich im Streit. Deshalb bin ich ihm lieber aus dem Weg gegangen.« Nora sah wieder auf ihre Uhr. »Agnes ist da«, sagte sie.
    »Ach ja?«
    »Es wundert mich, daß du ihr beim Mittagessen nicht begegnet bist.«
    »Wie ist sie?«
    »Wird unsere Agnes sich je ändern?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Harrison. »Ich möchte mir gern vorstellen, daß sie ein großes Abenteuer erlebt hat.«
    Nora lächelte. »Sie sieht sehr gut aus. Gesund und fit.«
    »Ihr seid befreundet geblieben?«
    »Ja«, sagte Nora. »Sie hat uns oft besucht. Als Carl noch lebte. Die beiden führten großartige Diskussionen.«
    »Du meinst, sie haben gestritten.«
    »Nicht ganz. Ich sehe ihre Debatten als Wortspiralen, die in eine andere Dimension vordrangen. In der Diskussion war Carl jedem überlegen.«
    »Auch dir?«
    »Mir ganz besonders«, sagte Nora leichthin. »Ich muß ein paar Unterlagen aus meinem Büro holen. Hast du Lust mitzukommen?«
    Harrison folgte Nora durch einen Korridor, dann eine Anzahl Stufen hinauf, durch einen weiteren Korridor und eine entsprechende Anzahl Stufen hinunter. Zu ihren Räumen gehörte ein Flur, der in ein Wohn-/Schlafzimmer mit einer Fenstertür zu einer privaten Terrasse führte. Nebenan bemerkte Harrison ein großes weißes Badezimmer. Glasflaschen mit Ölen in exotischen Farben waren auf dem Marmorrand der Wanne

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