Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
Gesundheit hätte spenden können, dachte Bridget, so hätte er es getan, selbst auf Kosten seiner eigenen Gesundheit – eine Art Gesundheitsaustausch, dem er sich bereitwillig unterzogen hätte. In einer kurzen Gesprächspause bat Julie (ausgerechnet Julie) Bridget zu erzählen, wie sie und Bill sich wiedergetroffen hatten. Bridget warf Bill einen hilfesuchenden Blick zu, sie wußten beide, daß das Wesentliche der Geschichte – die heimlichen Treffen in Hotels, der Verrat an Bills Frau, die leidenschaftlichen Telefongespräche, wenn Bridgets Sohn schlief – nicht vor Matt und Brian zur Sprache gebracht werden konnte. Bill sandte einen vielsagenden Blick in Richtung der Jungen, um die Gruppe wissen zu lassen, daß der Film nicht jugendfrei war. Er würde aber die bereinigte Kurzversion erzählen. Ich ging zum Klassentreffen, schaute mich um, sah Bridget, und zweiundzwanzig Jahre versanken im Nichts. Es war, als wären wir nie getrennt gewesen.
    Es wurde nicht über Jills Wut, Melissas Kummer und die Kosten für Bill gesprochen, die beträchtlich waren. Wenn Bridget bald starb – was durchaus möglich war, der Statistik zufolge sogar wahrscheinlich –, würde Bill alles für so wenig riskiert haben: drei, bestenfalls vielleicht vier gemeinsame Jahre. Würde er auch in zwanzig Jahren noch finden, daß es den Preis wert war?
    Bridget legte kurz ihre Hand über die Bills auf ihrem Oberschenkel. Nora steckte mit Brian und Matt die Köpfe zusammen. Eine Bemerkung von ihr ließ die beiden um einiges munterer werden. Jerry, vielleicht schon ein wenig beschwipst, erzählte allen, wie oft er damit angegeben hatte, praktisch der beste Freund von Carl Laskis Frau zu sein. Nora sah verwundert drein. Bridget konnte sich vorstellen, daß sie die Freundschaft etwas anders gesehen hatte.
    »Ich lese natürlich nie Lyrik«, fuhr Jerry fort und nahm der Schmeichelei damit alles Wohlwollende. »Wer tut das schon.«
    »Also, hör mal, Jerry«, sagte Harrison.
    »Okay, dann nennt mir doch mal den letzten Gedichtband, den ihr gelesen habt.«
    »Ich gebe Audr Heinrich heraus«, sagte Harrison.
    »Du zählst nicht.« Jerry schwenkte sein Glas, und etwas Wein schwappte aufs Tischtuch. »Wie steht’s mit dir?« fragte er Rob, ohne Julies beschwichtigende Hand an seinem Arm zu beachten.
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Rob. »Früher mochte ich Yeats.«
    »Ich lese Billy Collins«, warf Agnes ein. »Genauer gesagt, ich liebe ihn.«
    »Wer ist Billy Collins?« fragte Jerry.
    »Der derzeitige poeta laureatus«, sagte Harrison ruhig.
    »Robert Frost«, rief Jerry. »Das war ein Dichter, der diesen Titel verdient hätte.«
    »Ich finde die Gedichte deines Mannes großartig«, sagte Rob zu Nora und führte damit das Gespräch zurück an den Punkt, an den es gehörte.
    »Danke«, sagte Nora. Zwei Kellner begannen die Salate aufzutragen. Sie musterte prüfend jeden Teller, der auf den Tisch kam.
    »Bevor ich Rob kennenlernte, wußte ich nicht einmal, wer er war«, bemerkte Josh, »aber inzwischen habe ich, glaube ich, so ziemlich alles gelesen, was Carl Laski geschrieben hat.« Er lächelte breit, schien sich der Zweifelhaftigkeit des Kompliments gar nicht bewußt.
    »Wenn ich auf meine Liste hätte setzen können, wen ich wollte«, sagte Harrison, »hätte ich Carl Laski gewählt.«
    Bridget bemerkte einen Blickwechsel zwischen Nora und Harrison. War das auch ein privater kleiner Scherz?
    »Du warst ja immer schon selbst ein halber Dichter«, sasgte Jerry und biß in ein knuspriges Stück Baguette.
    »Inwiefern?« fragte Harrison.
    »Na ja, ich weiß auch nicht. So was Verträumtes. Immer irgendwo allein unterwegs. Zwiesprache mit der Natur und so.«
    »Kann sein, ja«, sagte Harrison, und selbst Bridget hörte das unausgesprochene Na und? Auch Harrison trank ganz schön. Seinen Salat hatte er noch nicht angerührt. Eine Ahnung von – Bridget konnte es nicht recht beschreiben – Gefahr, latenter Gefahr? lag plötzlich in der Luft. Sie überlegte krampfhaft, was sie sagen könnte, um die Spannung zu entschärfen.
    »Stephen war da ganz anders«, fuhr Jerry fort. »Den hättest du nie beim Lesen eines Gedichts erwischt.«
    »Nein«, sagte Agnes, »er hat nur darüber geredet.«
    Robs Kommentar klang wie ein Prusten, und Bill lachte leise.
    »Den hättest du überhaupt nicht beim Lesen erwischt«, sagte Harrison, bemüht um einen leichten Ton. Bridget fiel auf, daß er sowohl Rot- als auch Weißwein vor sich stehen hatte. Ein Kellner füllte

Weitere Kostenlose Bücher