Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
weil er verheiratet war und das vorgeschlagene Essen eindeutig nicht schlicht und einfach ein Essen war, sondern Zeichen der Bereitschaft zu weiterem. Bridget zweifelte nicht an Bills Aufrichtigkeit, als er von den Jahren sprach, die er damit zugebracht hatte, an sie zu denken, und von seiner festen Überzeugung, daß sie zusammengehörten. Ihre Erinnerung an die Aufrichtigkeit des Teenagers waren ungetrübt. Dennoch wollte sie nicht eine Beziehung eingehen, die Lügen und Heimlichkeiten brauchte, dabei wußte sie, daß dieses Warten eine Art Verschleierung war, die ihre immer stärker werdenden Gefühle vor Bill verbergen sollte – Gefühle, die, einem reichen Erinnerungsschatz entspringend, bei der schicksalhaften Begegnung auf dem Klassentreffen geweckt worden waren. Wahrscheinlich, dachte sie, hatte sie die ganze Zeit gewußt, daß sie früher oder später kapitulieren würde, daß ihre Zurückhaltung nur ein schwacher Versuch war, ihr Gewissen zu beruhigen und das unvermeidbare Chaos abzuwehren, das mit ihrem Zusammenkommen ausbrechen würde. Acht Monate nach dem Klassentreffen nahm Bridget endlich eine Einladung zum Mittagessen an – biryani und Chicken Tikka in einem indischen Restaurant in Cambridge –, bei dem ein Spritzer der stark gewürzten Soße des Tikka unter ihre Kontaktlinse geriet und einen kleinen, aber äußerst schmerzhaften Zwischenfall verursachte, so daß sie sich das Auge in der Damentoilette auswaschen mußte und sich dabei das Make-up ruinierte.
Nach diesem Mittagessen hatte Bridget überrascht entdeckt, wie weit ihre Bereitschaft ging, der Liebe ihre Grundsätze zu opfern. Vor der Begegnung mit Bill hätte sie entschieden behauptet, daß sie niemals eine Beziehung mit einem verheirateten Mann auch nur in Betracht ziehen würde. Eine solche Beziehung war nicht nur schwierig und riskant, sie war ganz einfach nicht in Ordnung . Eine ihr unbekannte Frau würde tief verletzt werden. Bridget wußte aus eigener Erfahrung, wie weh das tat. War sie nicht selbst erst vor sechs Jahren auf diese Weise verletzt worden, als Arthur sie verlassen hatte? Eine Stunde vor Matts Heimkehr von der Schule hatte Arthur mit geöffneten Händen, als ginge es lediglich um eine wissenschaftliche Tatsache, ganz sachlich verkündet, daß er sie verlassen werde. Für Bridget war es ein solcher Schock gewesen, daß sie gar nicht verstand, was er sagte, so wie sie in ihrem ersten Studienjahr Differential- und Infinitesimalrechnung nicht verstanden hatte. Sie sah sich selbst an jenem Nachmittag – kopfschüttelnd, mit offenem Mund, schließlich Seifenopernfragen stellend, die sie sich nie zugetraut hätte: Wer ist sie? Wann hast du sie kennengelernt? Wie lange geht das schon? Wo? Was ist mit Matt? Die Antwort auf diese letzte Frage hatte Bridget so wütend gemacht, daß sie mit dem nächstbesten Gegenstand warf, ihrer Handtasche, aus der auf dem Weg zu Arthurs Brust Lippenstift, Handcreme, Geld und Supermarktquittungen fielen, bevor sie, da Arthur sich gar nicht bemühte, sie abzufangen, zu Boden klatschte. Ihre Handtasche samt Inhalt interessierten ihn ab sofort so wenig wie sie selbst. Er würde auf das Sorgerecht für Matt klagen.
»Mit welcher Begründung?« hatte Bridget gefragt.
»Ich kann ihn ernähren«, hatte Arthur kurz erwidert, »und du nicht.«
Nur über meine Leiche , hatte Bridget gesagt. Es war banal, aber es kam der Wahrheit am nächsten.
Ein häßlicher Krieg folgte.Über Nacht wurde Liebe zu Haß; nach einem Monat zu Abscheu; nach einem Jahr zu Mitleid; und schließlich zu Gleichgültigkeit. Bridget, bis an den Rand ihrer Kräfte gebracht, gewann die ersten zwei Schlachten. Wie durch ein Wunder war eine dritte nicht mehr notwendig geworden. Eine Vereinbarung wurde getroffen: Matt würde Arthur jedes zweite Wochenende und im Sommer einen Monat besuchen.
(Bridget wartete wie eine Wissenschaftlerin, die Laborratten beobachtet, darauf, daß Matt endlich die Rolle übernehmen würde, die an jenem Nachmittag für ihn geschrieben worden war. Wo zum Beispiel blieb seine Wut? Abgesehen von der Sache mit dem Alkohol hatte Bridget bisher nichts von Wut gemerkt. Matt verabschiedete sich mit einer hastigen, verlegenen Umarmung – und bis zu diesem Jahr mit Tränen in den Augen – in den Monat bei seinem Vater und kehrte vergnügt zurück, anscheinend ohne Schaden genommen zu haben und bereit, sein normales Leben wiederaufzunehmen. Aber die Besuche bei seinem Vater, dachte Bridget, waren ja Teil seines
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