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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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weiß, es geht mich nichts an«, sagte Harrison nach einer Weile, »aber hast du es auf der Schule schon gewußt?«
    »Daß ich schwul bin?«
    Harrison nickte und hoffte, nicht zu weit gegangen zu sein. War es so, daß jeder Schwule diese Frage erwartete und verabscheute?
    »Natürlich«, antwortete Rob.
    »Aber du hattest doch eine Freundin …«
    »Amy Shulkind. Nur weil Bridget uns zusammengebracht hatte. Sie hat das ständig getan. Die Leute miteinander verkuppelt.« Rob trank von seinem Kaffee. »Am Anfang hofft man, daß es nicht so ist«, fügte er hinzu. »Ich kenne niemanden, der sich als Junge darüber gefreut hat.« Er stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch und richtete seinen Blick auf eine Ausgabe des New Yorker . »Und wie war es bei dir, Branch? Wann war bei dir der große Moment?«
    »Bitte?«
    »Der Erkenntnis. Wann bist du dahintergekommen, wer du eigentlich bist?« Rob schlug die Zeitschrift auf, betrachtete eine Karikatur.
    »Das ist eine schwierige Frage«, sagte Harrison. »Ich weiß gar nicht, ob ich da schon angekommen bin.«
    »Im Herzen immer noch ein Existentialist?« Rob hob den Kopf. »Das ist das Gute am Schwulsein. Es bringt sehr schnell allgemeine Klarheit. Aber es ist nicht das einzige Gute.«
    »Das will ich hoffen«, meinte Harrison.
    »Du hast eine Familie.« Rob klappte das Magazin zu.
    »Ja. Und es ist wahrscheinlich nicht fair, wenn ich vorgebe, nicht zu wissen, wo ich stehe. Bei meinen Söhnen weiß ich das ganz genau.«
    »Das ist das Schlechte am Schwulsein«, sagte Rob. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme über der Brust.
    »Nicht das einzige Schlechte«, sagte Harrison in scherzhaftem Echo.
    »Nein.«
    »Ich könnte mir vorstellen, daß du dich heute sehr über die Musik definierst«, fügte Harrison hinzu und wünschte von Herzen, er hätte sich vor der Fahrt hierher eine von Robs CDs angehört.
    »Darüber, ja … Und über meine Beziehung zu Josh … Und, ich weiß nicht …« Er lächelte. »Über die Red Sox.«
    »Du warst doch immer schon ein masochistischer Hund.«
    »Abwarten.«
    »Was denn? Noch mal siebzig oder achtzig Jahre?«
    »Die Cubs sind auch nicht gerade toll drauf.«
    »Denen ist der Dampf ausgegangen«, sagte Harrison. »Sammys Monsterjahr und Leibers Draufgängertum haben einfach nicht ausgereicht.«
    »Hey!« rief jemand von der Tür. Bill stand dort in einem leuchtendblauen Parka und Wanderstiefeln.
    »Billy«, sagte Rob. »Was gibt’s?«
    »Wir machen doch ein Spiel.«
    Rob schaute zum Fenster hinaus. »Da draußen?«
    »Schnee-Ball.« Bill hielt einen Kunststoffbaseball und einen gelben Plastikschläger hoch. »Jerrys Idee. Er hat erzählt, daß er in Aspen mal Schnee-Golf gespielt hat. Er hat für das erste Loch fünfundvierzig Minuten gebraucht.«
    »Aspen«, sagte Harrison.
    »Kommt schon«, bettelte Bill. »Wenn ich den ganzen Tag rumsitzen und auf diese Hochzeit warten muß, drehe ich durch.«
    »Okay, ich bin dabei«, sagte Rob.
    »Du machst den Schiedsrichter«, bestimmte Bill. »Für die Bases nehmen wir Frisbees. Nora hatte noch welche herumliegen. Der Haken ist nur, daß das Ding hier weiß ist.« Er zeigte den Kunststoffball.
    Harrison überlegte einen Moment. »Ich habe vielleicht eine Idee«, sagte er.
    »Wir sind draußen, wenn du soweit bist.«
    Harrison machte sich auf die Suche nach dem Jungen, der ihm am Vortag aufgefallen war, und fand ihn in einer North-Face-Fleecejacke im Speisesaal. Er bat die Eltern um Entschuldigung, daß er sie beim Frühstück störe, und fragte den Jungen, ob er die Filzstifte noch habe, mit denen er am Vortag am Tisch gemalt hatte. Er erklärte das geplante Schnee-Ball-Spiel und lud den Jungen und seinen Vater zum Mitmachen ein. Etwas verspätet forderte er auch die Frau auf. Sie meinte seufzend, ein paar Minuten allein in der Bibliothek wären göttlich.
    Als Harrison in Jacke und Turnschuhen hinunterkam, wartete der Junge schon mit der Schachtel Filzstifte auf ihn. Sein Vater, sagte er, würde gleich nachkommen. Harrison wählte ein Neongrün. Der Junge schien sprachlos angesichts der Ehre, mit den Großen Baseball spielen zu dürfen, und Harrison bemühte sich, ihm die Befangenheit zu nehmen – Gefällt es dir hier? Hast du mal in der Little League gespielt? Coole Jacke – hast du die gestern bekommen? –, aber es brachte nicht viel.
    Die zwei gingen nach draußen, wo Bill auf einem schneebedeckten ebenen Stück Rasen in der Nähe des Parkplatzes wartete. Harrison schwenkte den

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