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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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solltest du den Kannibalen in einem Brief schreiben, dass sie lieber nicht kommen sollten. Ich weiß, du kannst nicht schreiben, aber die können ja wahrscheinlich auch nicht lesen.«
    »Ich muss einfach besser auf meine Leute achten«, seufzte Mau.
    »Nein!«, erwiderte Daphne. »Sag ihnen, dass sie selbst auf sich achten sollen! Sie müssen Wachen aufstellen. Ein Mann sollte immer bei den Kanonen sein. Sag den Frauen, dass sie sich genau überlegen sollen, was sie tun oder wohin sie gehen können. Ach ja, und sag den Männern, dass die schnellsten an den Kanonen eine Extraportion Bier bekommen. Bring sie dazu nachzudenken. Sag ihnen nur, was getan werden muss, und lass sie selbst herausfinden, wie es geht. So, und nun entschuldige mich, ich bin gerade beim Bierbrauen!«
    Als sie wieder in ihrer Hütte war und die vertrauten Gerüche aus dem Kochtopf, vom Bier und von Mrs. Glucker ihr in die Nase stiegen, fragte sie sich, was wohl aus Cookie geworden war. Ob er die Welle überlebt hat? Denn wenn es jemand verdient hatte, dann Cookie.
    Daphne hatte sehr viel Zeit in der Kombüse der
Sweet Judy
verbracht, weil das schließlich nur eine etwas anders gestaltete Küche war, und in Küchen fühlte sie sich irgendwie zu Hause. Außerdem war sie dort sicher. Selbst auf dem Höhepunkt der Meuterei blieben alle freundlich zu Cookie, der niemanden zum Feind hatte. Jedem Seemann, selbst einem Verrückten wie Cox, war klar, dass es nicht gut wäre, den Koch zu verärgern, der viele Gelegenheiten gehabt hätte, sich zu rächen, wie man vielleicht eines Nachts feststellen musste, wenn man über der Reling hing und sich die Eingeweide aus dem Leib würgte.
    Obendrein war Cookies Gesellschaft immer angenehm, und er war schon auf allen möglichen Schiffen in alle Winkel der Weltmeere gesegelt. Und ständig bastelte er an seinem Sarg herum, den er mit an Bord gebracht hatte und der nun zum festen Bestandteil der Kombüse geworden war, auf dem sich meistens die Kochtöpfe stapelten. Es schien ihn zu überraschen, dass Daphne das alles etwas merkwürdig fand.
    Vielleicht deshalb, weil das Wichtigste an diesem Sarg war, dass Cookie gar nicht beabsichtigte, darin zu sterben. Stattdessen wollte er darin leben, denn er hatte ihn so gebaut, dass er schwimmen konnte, und ihn außerdem mit einem Kiel versehen. Es machte ihm großen Spaß, ihr die praktische Inneneinrichtung zu präsentieren. Für den Fall, dass er doch darin sterben sollte, gab es sogar ein Leichentuch, doch bis zu diesem Unglückstag ließ es sich ganz unkompliziert als Segel benutzen.
    Und genau zu diesem Zweck gab es zusätzlich noch einen kleinen ausklappbaren Mast. Die gepolsterten Innenwände des Sarges waren mit zwei Reihen von Taschen ausgestattet, in denen sich Schiffszwieback, Trockenfrüchte, Angelhaken (und Angelschnur), ein Kompass und Seekarten befanden und außerdem ein wunderbarer Apparat, um aus dem Meer Trinkwasser zu destillieren. Es war seine eigene kleine, schwimmende Welt.
    »Die Idee habe ich von einem Harpunier, den ich kennenlernte, als ich auf einem Walfänger gearbeitet habe«, erzählte er ihr eines Tages, während er eine weitere Tasche an die Innenwand des Sarges nähte. »Er war ein Rumsäufer, aber wirklich. Hatte mehr Tätowierungen als die Schotten Dudelsäcke und die Zähne spitz gefeilt wie Dolche, aber er schleppte seinen Sarg auf jedes Schiff, mit dem er unterwegs war, damit er nach seinem Ableben eine anständige christliche Bestattung bekam und man ihn nicht in ein Stück Segeltuch wickelte und mit einer Kanonenkugel als Gesellschaft über Bord warf. Ich habe lange darüber nachgedacht – die Grundidee war gut, aber sie konnte noch an einigen Stellen verbessert werden. Jedenfalls blieb ich nicht lange auf dem Schiff, weil ich Würmer bekam, bevor wir das Kap umfuhren und deshalb in Valparaiso an Land gehen musste. Wahrscheinlich war die Krankheit letztlich ein Segen für mich, denn ich nehme an, dass dieses Schiff einem bösen Ende entgegenfuhr. Ich habe ja schon einige verrückte Captains gesehen, aber dieser war völlig durchgeknallt. Und du kannst dich darauf verlassen: Wenn der Captain verrückt ist, ist es auch das Schiff. Ich frage mich oft, was aus den Leuten wohl geworden ist.«
    Daphne schloss die Zubereitung des Mutterbieres ab und ging dann den Hang hinunter, bis sie den kleinen bröckelnden Felsen sah, von dem aus man den ganzen Strand überblicken konnte. Mau war dort, zusammen mit den Kanonieren. Und aus unerfindlichem

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