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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Mr. Cox?«, erwiderte Daphne. »Ich bin mir sicher, dass dabei Menschen zu Tode gekommen sind.« Sie musste sich zwingen, nicht zurückzuweichen, aber das hätte bei diesem Mann sowieso nichts genützt.
    »Ein einziger! Also tragen Sie Ihre Nase nur nicht so hoch, junges Fräulein. Wir hatten soeben ein schönes, neues Schiff erworben, dank einer Handvoll Holländer, die in großzügiger Stimmung waren, und nachdem wir die gerade über Bord komplimentiert hatten, stürmte eine Horde unserer braunen Kumpel herbei, und es kam zu einigen Meinungsverschiedenheiten. Ich habe diesen hünenhaften Teufel voller Federn und Kriegsbemalung erschossen, als er mich gerade mit seinem Riesenhammer dem Deckboden gleichmachen wollte. Eine schöne Pistole übrigens, die der Käsefresserkapitän an seinem Gürtel hatte, viel zu gut für einen Holländer. Deswegen habe ich sie auch an mich genommen, bevor wir ihn an die Haie verfütterten. Jedenfalls habe ich diesem aufgeblasenen Affen ordentlich die Luft rausgelassen. Eine wunderbare Mechanik hat diese Waffe, sanft wie ein Kuss. Und im nächsten Moment, Abrakadabra, bin ich König der ganzen Bande. Dann ging es schnurstracks zu einer netten Insel, wo wir ein großes Krönungsfestmahl abgehalten haben. Sehen Sie mich doch nicht so an – ich habe nur vom Fisch gekostet.«
    Er blickte sich um. »Ach du Schreck, wo sind nur meine Manieren? Darf ich Ihnen meine Jungs aus dem Land der Vielen Feuer vorstellen, wie sie es nennen? Sie haben doch bestimmt schon von ihnen gehört. Die Herzen dieser Schurken sind so schwarz wie Priesterröcke!« Er winkte theatralisch einer Gruppe von Männern zu, vielleicht untergeordnete Häuptlinge, die sich um Pilu und Milo versammelt hatten.
    »Für eine feine Nase müffeln sie ein wenig zu streng, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, doch das liegt nur an ihrer einseitigen Ernährung. Zu wenig Ballaststoffe, verstehen Sie? Lasst sie bekleidet, sage ich ihnen immer wieder, und auch die Knöpfe werden euch guttun! Aber sie wollen ja nicht hören. Sind fast so schlimm wie ich, und mit derartigem Lob gehe ich wirklich äußerst sparsam um. Diese Kerle hier sind der kannibalistische Adelsstand, ob Sie es glauben oder nicht.«
    Sie sah sich einige Vertreter dieses so genannten Adelsstandes an und musste schockiert feststellen, dass sie sie wiedererkannte. Unter ihresgleichen hatte Daphne die meiste Zeit ihres Lebens gelebt. Auch wenn es offensichtlich keine leibhaftigen Kannibalen gewesen waren (obwohl immer wieder diese Gerüchte über den zehnten Earl von Crowcester kursierten, doch auf der Dinnerparty, die sie in ihrem getreuen Speiseaufzug belauscht hatte, einigte man sich schließlich darauf, dass er wohl nur äußerst hungrig und extrem kurzsichtig gewesen war).
    Diese alten Männer hatten Knochen in ihren Nasen und Muscheln in den Ohren, aber sie strahlten auch etwas sehr Vertrautes aus. Sie machten diesen wohlgenährten, bedeutungsschwangeren und abwägenden Eindruck von Leuten, die stets darauf bedacht waren, nicht ganz oben zu stehen. Viele Regierungsbeamte waren wie sie und hatten sich häufig zu gesellschaftlichen Ereignissen im Anwesen eingefunden. Im Laufe der Jahre hatten sie gelernt, dass die höchsten Positionen keineswegs Zufriedenheit oder Sicherheit bedeuteten. Eine Sprosse tiefer war genau der richtige Platz für einen vernünftigen Mann. Man beriet den König, man hatte sehr viel Macht, aber eher im Stillen, und man wurde nicht annähernd so häufig ermordet. Und falls der Herrscher auf seltsame Ideen kam und sich peinlich verhielt, dann… kümmerte man sich einfach um die Angelegenheit.
    Der Mann, der ihr am nächsten stand, bedachte sie mit einem nervösen Lächeln, doch erst später wurde ihr bewusst, dass er vielleicht nur hungrig gewesen sein könnte. Auf jeden Fall war die Ähnlichkeit verblüffend, denn wenn man sich die langen Haare wegdachte, die zu einem Kopfschmuck zusammengerollt waren, in dem eine Feder steckte, und sich dafür eine silberne Brille hinzudachte, würde er exakt wie der Premierminister ihres Heimatlandes aussehen – oder zumindest so, wie der Premierminister aussehen würde, nachdem er ein Jahr in der Sonne verbracht hatte.
    Trotz seiner Bemalung konnte Daphne die Falten ganz deutlich erkennen. Kannibalenhäuptling, dachte sie. Ein scheußlicher Name. Aber sie bemerkte den glattpolierten Schädel an seinem Gürtel, und seine Halskette bestand aus kleinen weißen Muscheln und Fingerknochen, und soweit ihr bekannt

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