Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
sollte eigentlich reichen. Dabei war er äußerst vorsichtig, weil das Bier in diesem Stadium sehr gefährlich war.
    Dann lief er schnell davon, bevor ein Geist ihm etwas antun konnte.
    Er hatte kaum etwas verschüttet, als er das Tal der Großväter erreichte. Dort kippte er den Inhalt der Kalebasse in die steinerne Schale vor der versiegelten Höhle. Aus den knorrigen, alten Bäumen wurde er aufmerksam von zwei Großvatervögeln beobachtet.
    Er spuckte in die Schale, und das Bier schäumte eine Weile vor sich hin. Große gelbe Blasen zerplatzten an der Oberfläche.
    Dann sang er. Es war ein einfaches, kleines Lied, das man sich gut merken konnte. Es handelte von den vier Brüdern, den Söhnen des Luftgottes, die eines Tages beschlossen, ein Rennen rund um den riesigen Bauch ihres Vaters zu veranstalten, um zu entscheiden, wer von ihnen um die Frau werben durfte, die im Mond lebte, und davon, wie sie sich gegenseitig austricksten, um Erster zu werden. Schon Babys lernten dieses Lied. Jeder kannte es. Und aus irgendeinem Grund verwandelte sich Gift in Bier, wenn man dieses Lied sang. Und so war es wirklich.
    Das Bier schäumte in der Schale, und Mau behielt den großen, runden Stein genau im Auge, nur für alle Fälle. Aber die Großväter konnten das Bier wahrscheinlich von der Geisterwelt aus trinken. Er sang sich durch das Lied und achtete genau darauf, keinen Vers auszulassen, vor allem den, der so witzig war, wenn man dazu die richtigen Gesten machte. Am Ende des Liedes war das Bier klar geworden, und goldene Bläschen stiegen darin auf.
    Mau nahm einen kleinen Schluck, um sich zu vergewissern.
    Sein Herz setzte nicht aus, also war das Bier offenbar in Ordnung.
    Er trat ein paar Schritte zurück und sagte zum offenen Himmel: »Hier ist euer Bier, Großväter!«
    Alles blieb ruhig. So sollte man im Grunde nicht denken, aber ein »Danke schön!« wäre ganz nett gewesen.
    Dann atmete die Welt ein, und der Atem wurde zu einem Chor von Stimmen: DU HAST DAS LIED NICHT GESUNGEN!
    »Doch, habe ich! Das Bier ist gut!«
    WIR MEINEN DAS LIED, DAS UNS ZUM BIER RUFT!
    Noch zwei Großvatervögel landeten krachend in den Bäumen.
    »Ich wusste nicht, dass es so ein Lied gibt!« DU BIST EIN NACHLÄSSIGER JUNGE!
    Mau nahm das Stichwort auf.
    »Richtig, ich bin nur ein Junge. Hier ist niemand, von dem ich lernen kann. Könnt ihr…?«
    HAST DU DIE GOTTESANKER GERICHTET? NEIN! Damit verstummten die Stimmen, und nur noch das Seufzen des Windes war zu hören.
    Aber das Bier schien doch gut zu sein! Wozu war das andere Lied dann noch nötig? Maus Mutter hatte gutes Bier gemacht, und die Leute waren immer von selbst zu ihr gekommen.
    Unter lautem Geflatter landete ein Großvatervogel auf dem Rand des Biersteins und bedachte Mau mit dem üblichen Blick, der zu sagen schien: Wenn du bald stirbst, beeil dich damit. Wenn nicht, verschwinde.
    Mau zuckte mit den Schultern und stapfte los. Doch dann versteckte er sich hinter einem Baum, und er war gut im Sich-Verstecken. Vielleicht rollte der große Stein ja doch noch zur Seite.
    Es dauerte nicht lange, bis sich mehrere Großvatervögel an der Schale versammelt hatten. Sie zankten eine Weile, doch dann machten sie sich – immer wieder unterbrochen von der einen oder anderen Streiterei – daran, sich gehörig zu betrinken. Sie schaukelten vor und zurück, wie es Vögel nun einmal taten, wenn sie tranken, und dann schaukelten sie vor und zurück und fielen immer wieder um, wie es Vögel nun einmal taten, die frisches Bier getrunken hatten. Einer flog auf und krachte rückwärts in ein Gebüsch.
    Mau machte sich nachdenklich auf den Rückweg zum Strand und hielt unterwegs an, um sich im Wald einen Speer zu schneiden. Am Strand schärfte er die Spitze und härtete sie im Feuer, wobei er gelegentlich zur Sonne hochschaute.
    All das tat er sehr langsam, weil sich in seinem Kopf immer mehr Fragen auftürmten. Sie kamen so schnell aus diesem schwarzen Loch in seinem Innern, dass es ihm schwerfiel, seine Gedanken zu ordnen. Bald würde er zum Geistermädchen gehen müssen. Und dann wurde es… richtig schwierig.
    Er sah sich noch einmal das weiße Rechteck an. Das glänzende Metall am Rand war weich und nutzlos und ließ sich leicht abkratzen. Das Bild stellte möglicherweise einen Zauber dar, ähnlich wie seine blaue Perle. Welchen Sinn sollte es haben, einen Speer auf das große Kanu zu werfen? Schließlich konnte man es damit nicht töten. Aber das Geistermädchen war neben Mau der einzige

Weitere Kostenlose Bücher