Eine Insel
hören, wie sie das Lied über den Gott des Feuers sang, wie die Papierrebenfrau böse auf ihn geworden war, weil er ständig ihren Töchtern nachstellte, wie sie ihm mit dicken Reben die Hände an den Körper gefesselt hatte und, wie seine jüngere Schwester darüber lachen musste und ihn mit Ranken… Dann schwappte eine Welle über seinen Geist hinweg, und er war froh, dass sie diese klare Erinnerung fortspülte.
Er spürte das Loch in seinem Innern, schwärzer und tiefer als die dunkle Strömung. Alles fehlte. Nichts war mehr, wo es sein sollte. Er saß hier an diesem einsamen Ufer und konnte nur an all die dummen Fragen denken, die Kinder stellten… Warum hört etwas auf? Wie fängt es an? Warum sterben gute Menschen? Was tun die Götter?
Und das war nicht richtig, denn für einen Mann galt: Stell keine dummen Fragen!
Und nun hatte der kleine, blaue Einsiedlerkrebs sein Schneckenhaus verlassen und krabbelte über den Sand, auf der Suche nach einem neuen Heim, aber es gab keins. Rundherum nur leerer Sand. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als immer nur weiterzurennen…
Mau öffnete die Augen. Jetzt gab es hier nur noch ihn und ein Geistermädchen. Aber war sie wirklich da gewesen? War er wirklich da? War das eine dumme Frage?
Der Duft der Wurzeln stieg aus dem Sand auf. Sein Bauch forderte, dass wenigstens sie wirklich da sein könnten. Mau verbrannte sich die Finger, als er sie ausgrub. Eine würde er sich für morgen aufheben, aber die zweite brach er auf und drückte sein Gesicht in das weiche, warme Herz der Wurzel. Mit vollem Mund schlief er ein, während die Schatten tanzend das Feuer umkreisten.
3
Tropenkoller
In der Dunkelheit des Wracks der
Sweet Judy
entflammte ein Streichholz. Dann folgte leises Klappern und Schaben, und endlich wurde es hell. Die Lampe war zwar nicht kaputt, aber sie musste sparsam damit umgehen, weil sie noch kein Öl zum Nachfüllen gefunden hatte. Wahrscheinlich lag es unter all den anderen Sachen. Alles lag unter all den anderen Sachen. Zum Glück hatte sie sich noch in die Matratze eingewickelt, bevor die
Sweet Judy
versuchte, durch den Wald zu segeln. Sie würde sich an das Krachen und die Schreie erinnern, solange sie lebte.
Sie hatte gehört, wie der Rumpf aufgerissen wurde und die Masten brachen, aber das Schlimmste, was sie schließlich hörte, war die Stille.
Dann war sie hinausgestiegen in einen dampfenden Morgen voller Vogelgezwitscher. Der größte Teil der Judy hatte sich über die Schneise durch den Wald verteilt, und in ihrem Kopf kreiste nur ein einziges Wort. ›Tropenkoller‹.
Das war eine besondere Form von Wahnsinn, der durch Hitze hervorgerufen wurde. Der Erste Offizier Cox hatte ihr davon erzählt und wahrscheinlich gehofft, ihr damit Angst einzujagen, weil er genau diese Art von Mensch war. Seemänner bekamen einen Tropenkoller, wenn sie zu lange in einer Flaute lagen.
Dann schauten sie aufs Meer, sahen aber nicht das Wasser, sondern kühle, grüne Felder. Sie sprangen über die Reling und ertranken. Erster Offizier Cox sagte, er habe erwachsene Männer gesehen, die genau das getan hatten. Sie wollten auf eine Wiese voller Gänseblümchen springen und waren dabei abgesoffen, wie er sich ausdrückte. Vielleicht hatte er ihnen sogar einen Schubs gegeben.
Und nun stieg sie aus einem Schiff und stand wahrhaftig mitten in einem grünen Dschungel. Es war wie… das Gegenteil von Wahnsinn. In gewisser Weise. Sie fühlte sich geistig gesund, dessen war sie sich ziemlich sicher, aber die Welt um sie herum war wahnsinnig geworden. Überall lagen tote Männer herum, auf der ganzen Schneise durch den Wald. Sie hatte früher schon Tote gesehen – als sich ihr Onkel bei der Jagd das Genick gebrochen hatte, und dann war da noch dieses schreckliche Unglück mit der Erntemaschine gewesen. Keiner der toten Seemänner war Cookie, worüber sie zu ihrer Schande sehr erleichtert war.
Sie hatte ein kurzes Gebet für die Männer gesprochen und war dann schnell zum Schiff zurückgelaufen, um sich zu übergeben.
Jetzt kramte sie in dem Durcheinander, das einmal eine ordentliche Kabine gewesen war, nach ihrem Schreibkasten und fand ihn sogar. Sie stellte ihn auf die Knie, öffnete ihn und nahm ein paar der Einladungskarten mit Goldrand heraus, die sie zum Geburtstag bekommen hatte, und betrachtete sie eine Weile reglos. Nach ihrem Benimmbuch (auch ein Geburtstagsgeschenk) sollte eine Anstandsdame zugegen sein, wenn sie den jungen Mann zu einem Besuch einlud, und
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