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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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das eine oder andere Schiff anlegen, dessen Offiziere ich als Gouverneur bewirten und unterhalten muss.«
    »Verrückte mit Sonnenbrand, nackte Wilde…«
    »Sie tragen immerhin Lendenschurze.«
    »Was? Wie bitte? Wovon redest du da?« Eine weitere Eigenart von Großmutter war ihre Überzeugung, ein Gespräch bestünde daraus, dass man einfach nur zuhörte, wenn sie redete. Deshalb erschienen ihr selbst kleine Unterbrechungen als seltsam irritierende Umkehrung der natürlichen Weltordnung. Als würden Schweine fliegen. So etwas brachte sie völlig aus dem Konzept.
    »Lendenschurze«, wiederholte Vater hilfsbereit, »und schützende Dingsdas. McRather sagte, er müsse ihnen immer wieder erklären, dass sie das Mal und nicht den Schlagmann treffen sollen.«
    »Nun gut, also Verrückte mit Sonnenbrand, halbnackte Wilde und die Royal Navy. Und du glaubst, ich würde tatsächlich zulassen, dass meine Enkeltochter schutzlos all diesen Gefahren ausgeliefert wird?«
    »Ich würde die Royal Navy nicht unbedingt als Gefahr bezeichnen.«
    »Am Ende heiratet sie noch einen Seemann!«
    »Wie Tante Pathenope?« Daphne konnte sich gut das süffisante Lächeln ihres Vaters vorstellen, mit dem er seine Mutter jedes Mal zur Weißglut brachte. Andererseits machte sie fast alles wütend.
    »Er war ein Konteradmiral!«, gab Großmutter zurück. »Das ist etwas ganz anderes!«
    »Mutter, es hat überhaupt keinen Sinn, einen solchen Aufstand zu machen. Ich habe dem König bereits mitgeteilt, dass ich auf große Fahrt gehen werde. Ermintrude kommt in ein oder zwei Monaten nach. Es wird uns beiden guttun, eine Zeitlang auf Reisen zu sein. Dieses Haus ist einfach zu kalt und zu groß.«
    »Trotzdem verbiete ich…«
    »Außerdem ist es zu einsam. Hier sind zu viele Erinnerungen! In diesem Haus gibt es zu viel unterdrücktes Lachen, zu viele lautlose Schritte, zu viele stumme Echos, seit sie gestorben sind!« Die Worte donnerten nur so aus ihm heraus. »Meine Entscheidung ist gefallen, und ich werde mich nicht umstimmen lassen, nicht einmal von dir! Ich habe mit dem Palast vereinbart, dass sie so schnell wie möglich zu mir geschickt wird, sobald ich mich dort eingerichtet habe. Hast du verstanden? Ich glaube, meine Tochter würde es sofort verstehen! Und vielleicht gibt es am anderen Ende der Welt einen Ort, wo ich die Schreie nicht mehr höre, und vielleicht bringe ich es dann über mich, Gott Absolution zu erteilen!«
    Sie hörte, wie er zur Tür ging, während sich Tränen an ihrem Kinn sammelten und auf ihr Nachthemd tropften.
    Dann sagte Großmutter: »Darf ich fragen, was aus der Schulbildung des Kindes wird?«
    Wo kam das jetzt wieder her? Wie konnte sie so etwas sagen, wo doch die Echos noch immer klirrend im Silbergeschirr und in den Kerzenleuchtern nachhallten? Hatte sie die Särge bereits vergessen?
    Vermutlich nicht. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, sie könne ihn auf diese Weise halten. Für den Moment funktionierte es auch, denn er hielt mit einer Hand an der Türklinke inne und sagte mit ziemlich fester Stimme: »Sie bekommt Unterricht von einem Privatlehrer in Port Mercia. Das wird gut für sie sein und ihren Horizont erweitern. Wie du siehst, habe ich an alles gedacht.«
    »Das bringt sie dir auch nicht wieder zurück.« Ihre Großmutter. Daphne hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund. Wie konnte diese Frau nur so… dumm sein?
    Daphne hatte das Gesicht ihres Vaters lebhaft vor Augen.
    Sie hörte, wie er die Tür zum Esszimmer öffnete, und wartete auf den Knall. Doch ein solcher Ausbruch hätte ihrem Vater auch gar nicht ähnlich gesehen. Das knappe Klicken, mit dem die Tür ins Schloss fiel, hallte in ihrem Kopf lauter wider als jeder Knall.
    An diesem Punkt erwachte Daphne erleichtert. Der Horizont leuchtete rot, doch am Himmel funkelten auch noch die Sterne.
    Ihre Glieder waren steif, und sie hatte das Gefühl, in ihrem ganzen Leben noch nie etwas gegessen zu haben. Aber das traf sich gut, denn der Duft, der aus dem Topf drang, roch fischig und würzig und ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Der Junge stand ein Stück entfernt, mit einem Speer in der Hand, und blickte aufs Meer hinaus. Im Feuerschein konnte sie ihn gerade noch erkennen.
    Er hatte noch mehr Äste auf das Lagerfeuer geworfen, und das feuchte Holz knackte und explodierte dampfend, so dass eine dicke Rauchwolke in den Himmel aufstieg. Und er bewachte den Strand. Wovor? Dies war eine richtige Insel, deutlich größer als viele andere, die sie auf

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