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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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will.«
    »Wir werden mal sehen, was sich machen lässt«, sagte ihr Vater mit sinnloser, elterlicher Diplomatie. »Aber erwähne deiner Großmutter gegenüber bitte nicht, dass du Mr. Darwin die Hand geschüttelt hast. Sie hält ihn für den Teufel.«
    »Wirklich? Und was sagst du dazu?« Darwins Anschauungen fand sie hochinteressant.
    »Nach meiner Einschätzung«, sagte ihr Vater, »ist er der größte Wissenschaftler, der je gelebt hat.«
    »Größer als Newton? Das glaube ich nicht, Papa. Viele seiner Ideen wurden vor ihm von anderen Leuten formuliert, einschließlich seines eigenen Großvaters.«
    »Aha? Du warst also schon wieder in meiner Bibliothek. Jedenfalls hat Newton selbst gesagt, er stünde nur auf den Schultern von Giganten.«
    »Sicher, aber… er wollte doch nur bescheiden sein!« Und so hatten sie während des ganzen Heimwegs weiterdiskutiert.
    Es war ein Spiel. Er liebte es, wenn sie Fakten sammelte und ihn mit fundierten Argumenten in die Enge trieb. Er glaubte an die Vernunft und wissenschaftliche Methodik, was auch der Grund war, warum er sich bei einem Streit nie gegen seine Mutter durchsetzen konnte. Denn seine Mutter glaubte allein daran, dass die Leute zu tun hatten, was sie ihnen sagte. Und davon war sie dermaßen überzeugt, dass jede Opposition schon von vornherein zum Scheitern verurteilt war.
    Jedenfalls hatte es immer etwas Ungehöriges gehabt, zu den Vorträgen zu gehen. Ihre Großmutter lehnte sie schlichtweg ab, weil sie angeblich »ein Mädchen unruhig machen und es auf Ideen bringen« konnten. Und sie hatte recht. Ermintrude waren bereits einige interessante Ideen in den Sinn gekommen, aber ein paar mehr konnten nie schaden.
    An dieser Stelle beschleunigte sich der Ablauf ihres Le bens und führte durch ein paar dunkle Jahre, an die sie sich nur in Albträumen erinnerte oder wenn sie ein Baby schreien hörte. Dann folgte ein Sprung zu dem Tag, als ihr zum ersten Mal klar geworden war, dass sie Inseln unter neuen Sternen sehen würde…
    Zu diesem Zeitpunkt hatte ihre Mutter schon nicht mehr gelebt, was bedeutete, dass die Angelegenheiten auf dem Anwesen nun ausschließlich von ihrer Großmutter geregelt wurden. Ihr Vater war ein ruhiger, hart arbeitender Mann, der nicht mehr allzu viel Kraft übrig hatte, um sich mit ihr zu streiten. Also wurde das geliebte Teleskop weggeschlossen, weil es sich »für eine wohlerzogene junge Dame nicht ziemte, die Monde Jupiters zu betrachten, dessen Umgangsformen wohl kaum als ein gutes Vorbild« durchgingen! Dabei spielte es auch keine Rolle, dass Daphnes Vater geduldig erklärte, zwischen Jupiter, dem römischen Gott, und Jupiter, dem größten Planeten des Sonnensystems, lägen mindestens 36 Millionen Meilen. Sie hörte einfach nicht zu. Sie hörte nie zu. Man musste sie entweder hinnehmen oder ihr eine Streitaxt über den Schädel ziehen, und so etwas tat ihr Vater nicht – obwohl einer seiner Vorfahren den Herzog von Norfolk mit einem glühenden Feuerhaken übel zugerichtet hatte.
    Ihre Besuche in der Royal Society wurden mit der Begründung verboten, Wissenschaftler seien nur irgendwe1che Leute, die alberne Fragen stellten, und damit war die Sache erledigt. Ihr Vater kam zu ihr und entschuldigte sich deswegen, was schrecklich gewesen war.
    Aber es gab zum Glück noch andere Möglichkeiten, das Universum zu erkunden…
    Einer der Vorteile eines stillen Mädchens in einem sehr großen Haus lag darin, dass es – wenn es sich bemühte – unsichtbar sein konnte, ohne sich zu verstecken. Einfach erstaunlich, was man alles mithören konnte, wenn man ein braves Mädchen war und in der Küche beim Keksebacken half. Ständig kamen Lieferanten oder Arbeiter vom Anwesen auf eine Tasse Tee vorbei, oder alte Freunde des Kochs, die mit ihm ein Schwätzchen hielten.
    Das Geheimnis war, Schleifen im Haar zu tragen und überall herumzuspringen. Davon ließen sich die Erwachsenen immer täuschen.
    Jedoch nicht ihre Großmutter, die ihre Besuche im Dienstbotenflügel unterband, sobald sie die Leitung des Haushalts übernommen hatte. »Kinder darf man nie sich selbst überlassen, die haben ihr Augen und Ohren überall!«, sagte sie. »Und jetzt ab mit dir! Husch!«
    Und damit war die Sache erledigt. Ermi… Daphne verbrachte daraufhin die meiste Zeit in ihrem Zimmer mit Stickereien. Nähen – sofern man es nicht tat, um etwas Nützliches herzustellen – war eine der wenigen Tätigkeiten, die einem Mädchen, das »eines Tages eine Lady sein wird«,

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