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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erlaubt waren, zumindest nach Ansicht ihrer Großmutter.
    Aber natürlich war es nicht das Einzige, was sie tat. Zum einen hatte sie den alten Speiseaufzug entdeckt, der zuletzt benutzt worden war, als ihre Urgroßtante noch in Daphnes Zimmer im obersten Stock wohnte und ihr gesamtes Essen die fünf Stockwerke von der Küche hinaufbefördert werden musste. Daphne wusste nicht viel über die alte Dame, aber es hieß, ein junger Mann habe sie an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag angelächelt, woraufhin sie sich sofort, in einem Anfall von Schwermut, zu Bett begeben hatte. Dort war sie geblieben und langsam von der Melancholie zerfressen worden, bis sich ihr Körper im Alter von sechsundachtzig Jahren völlig verzehrt hatte – offenbar war er es leid, nichts zu tun zu haben.
    Seitdem war der Speiseaufzug offiziell nie mehr benutzt worden. Daphne hatte jedoch herausgefunden, wie er sich nach Entfernung einiger Bretter und dem Schmieren einiger Räder am Flaschenzug auf und ab bewegen ließ. Auf diese Weise war es ihr möglich, die Gespräche in verschiedenen Zimmern zu belauschen. Der Aufzug wurde für sie zu einer Art Teleskop, mit dem sie das häusliche Sonnensystem erkunden konnte, das sich um ihre Großmutter drehte.
    Sie schrubbte ihn ein bisschen und dann gleich nochmal, denn – Pfui Spinne – wenn die Dienstmädchen die Tabletts mit den Speisen keine fünf Stockwerke tragen wollten, dann taten sie das auch nicht mit – urks – allem anderen, zum Beispiel Nachttöpfen.
    Es war äußerst lehrreich, das große Haus zu belauschen, wenn es nichts davon ahnte, aber dann alles richtig zu verstehen, war mitunter so, als wollte man mit nur fünf Puzzleteilen das ganze Bild erkennen.
    Während sie gerade zwei Hausmädchen belauschte, die sich über den Stalljungen Albert unterhielten und darüber, wie unanständig er war (eine Angelegenheit, die ihnen allerdings nicht gänzlich unangenehm zu sein schien und die, wie Daphne mittlerweile vermutete, wohl wenig mit seiner Liebe zu Pferden zu tun hatte), hörte sie den Streit im Esszimmer. Die Stimme ihrer Großmutter schnitt ihr ins Ohr wie ein Diamant in Glas, doch ihr Vater sprach mit der ruhigen, tonlosen Stimme, die er immer dann benutzte, wenn er wütend war, es aber nicht zu zeigen wagte. Endlich hatte sie den Aufzug weit genug hinaufbefördert, damit sie das Gespräch besser verstehen konnte, das offenbar schon seit einiger Zeit im Gange gewesen war.
    »… und dann wirst du im Kochtopf dieser Kannibalen enden!« Unverkennbar die Stimme ihrer Großmutter.
    »Kannibalen pflegen ihre Speisen zu rösten und nicht zu kochen, Mutter.« Und das war zweifelsfrei ihr Vater, der in Gesprächen mit seiner Mutter stets so klang, als wäre er fest entschlossen, nicht von seiner Zeitung aufzublicken.
    »Und was soll daran bitte schön besser sein?«
    »Vermutlich nichts, Mutter. Nur der Wahrheit zuliebe. Immerhin neigen die Bewohner der Muttertagsinseln keineswegs dazu, jemanden
al fresco
in irgendwelchem Kochgeschirr zu garen, zumindest soweit uns bekannt ist.«
    »Ich verstehe einfach nicht, warum ausgerechnet du ans andere Ende der Welt gehen willst.« Und das war ihre Großmutter, wie sie unverhofft ihre Taktik änderte.
    »Irgendjemand muss es tun. Einer muss schließlich die Fahne hoch halten.«
    »Warum denn?«
    »Herrje, Mutter, du überraschst mich. Weil es unsere Fahne ist. Sie muss wehen.«
    »Vergiss nicht, dass nur einhundertachtunddreißig Personen sterben müssen, damit du König wirst!«
    »Das sagst du mir immer wieder, Mutter, obwohl Vater stets darauf hingewiesen hat, dass sich dieser Anspruch nur schwer aufrechterhalten ließe, wenn man bedenkt, was 1421 geschehen ist. Und solange ich auf dieses höchst unwahrscheinliche Massensterben warte, kann ich genauso gut dem Empire dienen und meine Pflicht tun.«
    »Gibt es dort eine Gesellschaft?« Mit »Gesellschaft« meinte Großmutter Menschen, die wohlhabend waren oder Einfluss hatten und vorzugsweise beides. Sie sollten jedoch nach Möglichkeit weniger vermögend und einflussreich sein als sie selbst.
    »Nun, da wäre der Bischof, anscheinend ein recht lebensfroher Mann. Er nimmt sich ein Kanu, um seine Schäfchen zu besuchen, und beherrscht die Inselsprache wie seine eigene. Trägt auch keine Schuhe. Und dann natürlich McRather, der die Werft leitet. Nebenbei bringt er den eingeborenen Jungs Cricket bei. Ich werde ein paar neue Schläger zusätzlich mitnehmen. Und selbstverständlich wird immer wieder

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