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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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unsicher, da alles, was sie über die Beulen auf der Brust wusste, aus einem heimlich mitgehörten Gespräch zweier kichernder Dienstmädchen stammte – von dem sie das meiste einfach nicht glauben konnte. Und aus einem seltsamen Vortrag einer ihrer Tanten, in dem immer wieder die Worte »wenn du alt genug bist« vorkamen und der ansonsten auch ziemlich unwahrscheinlich geklungen hatte.
    »Dafür muss man verheiratet sein«, sagte sie entschieden.
    Es spielte keine Rolle, dass er sie nicht verstand, sie fühlte sich danach einfach besser.
    »Kennt sie sich aus? Hat sie schon Kinder zur Welt gebracht?«, sagte Ataba.
    »Ich glaube nicht.«
    »Dann hat sie auch keine Milch. Bitte hol eine andere Frau, eine, die erst vor kurzem… Oh.« Der alte Mann sackte in sich zusammen, als er sich erinnerte.
    »Wir haben zu essen«, sagte Mau.
    »Es muss Milch sein«, sagte der alte Mann matt. »Das Baby ist noch zu jung für andere Nahrung.«
    »Zumindest hätten wir eine Hütte für die Mutter, oben im Frauenhain. Bis dort ist es nicht weit. Ich könnte dort ein Feuer machen«, sagte Mau.
    »Du wagst es, den Frauenhain zu betreten?« Der Priester sah ihn schockiert an, aber dann lächelte er. »Ach, ich verstehe. Du bist ja noch ein Junge.«
    »Nein, ich habe keine Jungenseele mehr. Ich glaube, die Welle hat sie fortgeschwemmt.«
    »Sie hat viel zu viele Dinge fortgeschwemmt«, sagte Ataba.
    »Aber du hast keine Tätowierungen, nicht einmal die Sonnenuntergangswelle. Hast du die Lieder gelernt? Nein? Kein Männlichkeitsmahl? Dir wurde keine Männerseele gegeben?«
    »Nichts von alledem.«
    »Und die Sache mit dem Messer…?«
    »Das auch nicht«, sagte Mau hastig. »Ich habe nicht mehr als das.« Er zeigte ihm sein Handgelenk.
    »Der blaue Jadestein? Er schützt dich höchstens einen Tag lang!«
    »Ich weiß.«
    »Dann könnte es sein, dass hinter deinen Augen ein Dämon oder Rachegeist lauert.«
    Mau dachte darüber nach und fand, dass es durchaus möglich war. »Ich weiß nicht, was hinter meinen Augen ist«, sagte er.
    »Ich weiß nur, dass es sehr zornig ist.«
    »Andererseits hast du uns gerettet«, sagte der alte Mann und lächelte nervös. »Das klingt nach keinem der Dämonen, von denen ich gehört habe. Aber ich hoffe, du hast den Göttern für deine Rettung gedankt.«
    »Gedankt…?«, sagte Mau.
    »Vielleicht haben sie andere Pläne mit dir«, sagte der Priester.
    »Pläne«, sagte Mau mit einer Stimme, die so kalt wie die dunkle Strömung war. »Sie hatten also einen Plan? Ach, jetzt verstehe ich. Irgendwer musste überleben, um all die anderen zu bestatten! War das der Plan?« Mit geballten Fäusten trat er einen Schritt vor.
    »Wir können nicht wissen, aus welchen Gründen all das gesch…«, begann Ataba und wich dann vor Mau zurück. »Ich habe ihre Gesichter gesehen! Ich habe viele von ihnen dem dunklen Wasser anvertraut! Ich habe kleine Steine an kleine Leichen gebunden. Die Welle hat alle mitgenommen, die ich geliebt habe, und alles in mir will nur noch wissen, warum!«
    »Warum hat die Welle dich verschont? Warum hat sie mich verschont? Warum hat sie dieses Baby verschont, das ziemlich bald sterben wird? Warum regnet es? Wie viele Sterne stehen am Himmel? All das können wir nicht wissen! Sei einfach nur dankbar, dass die Götter dir dein Leben gelassen haben!«, rief der alte Mann.
    »Nein! Das werde ich nicht! Wenn ich das tun würde, könnte ich mich auch gleich für die Toten bedanken. Ich will die Gründe wissen. Ich will verstehen, was geschehen ist! Aber ich kann es nicht, weil es überhaupt keine Gründe gibt. Dinge geschehen oder sie geschehen nicht, und mehr gibt es dazu nicht zu sagen!«
    Das Getöse der wütenden Großväter in Maus Kopf war so laut, dass er sich fragte, warum Ataba es nicht hörte.
    DU TROTZT DEN GÖTTERN, JUNGE. DU WEISST GAR NICHTS. DAMIT WIRST DU DIE WELT NIEDERREISSEN.
    DU WIRST DIE NATION ZERSTÖREN. BITTE IMO UM VERGEBUNG!
    »Das werde ich nicht tun! Er hat diese Welt Locaha überlassen!«, schrie Mau. »Er soll die Toten um Verzeihung bitten! Er soll mich um Verzeihung bitten! Aber sagt mir nicht, dass ich den Göttern danken soll, dass ich am Leben geblieben bin, um mich daran zu erinnern, dass alle anderen tot sind!«
    Jemand schüttelte Mau, doch er nahm es nur aus weiter Ferne wahr.
    »Hör auf! Du bringst das Baby zum Weinen!« Mau starrte in Daphnes wütendes Gesicht.
    »Baby, Essen«, sagte sie nachdrücklich. Die Bedeutung war ihm völlig klar, auch wenn er die

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