Eine Insel
waren nur drei Worte nötig gewesen.
Würde ihr Vater mit seinem großen Schiff kommen und nach ihr suchen? Das wäre durchaus möglich. Der Rauch des Feuers zog über den Himmel.
Irgendwer würde bestimmt kommen. Die Räuber, dachte er…
Es kursierten die unglaublichsten Geschichten über sie.
Aber jeder Junge hatte die große Holzkeule in der Hütte des Häuptlings gesehen. Sie war mit Haizähnen gespickt, und beim ersten Versuch hatte Mau es nicht einmal geschafft, sie anzuheben. Sie stammte aus der Zeit, als die Räuber zum letzten Mal bis zu ihnen vorgedrungen waren. Damals hatte die Nation ihnen eine Lektion erteilt!
Jeder Junge wollte die Trophäe anheben, alle Jungen lauschten mit weit aufgerissenen Augen den Beschreibungen der großen, dunklen Kanus, die am Bug mit blutigen Schädeln behängt waren und von Gefangenen gerudert wurden, die selbst kaum mehr als Skelette waren. Diese Sklaven konnten sich glücklich schätzen, denn wenn sie zu schwach zum Rudern geworden waren, köpfte man sie einfach und hängte ihre Schädel an den Bug. Die anderen Gefangenen, die zum Land der Feuer mitgenommen wurden, erhielten keine so freundliche Behandlung, noch nicht einmal bevor sie den Räubern als Abendessen dienten. Diese Dinge wurden den Jungen in allen Einzelheiten geschildert.
Wenn man an dieser Stelle mit offenem Mund dasaß und sich vielleicht sogar die Ohren zuhielt, ging es nur noch darum, sich nicht nasszumachen.
Doch dann hörte man die Geschichte von Aganu, dem Häuptling, der sich dem Anführer der Räuber im Kampf Mann gegen Mann stellte, wie es bei ihnen Sitte war, und der ihm die Haizahnkeule aus der toten Hand nahm, worauf die Räuber zurück zu ihren Kriegskanus flüchteten. Sie verehrten Locaha, und wenn der ihnen keinen Sieg gönnte, hatte es für sie wohl auch keinen Sinn, noch länger auf der Insel zu verweilen.
Danach erhielt jeder Junge erneut Gelegenheit, die Keule anzuheben, und Mau hatte noch von keinem Jungen gehört, dem es beim zweiten Versuch misslungen wäre. Und nun fragte er sich: Lag es wirklich daran, dass die Jungen durch die Geschichte stärker wurden, oder kannten die alten Männer irgendeinen Trick, das Gewicht der Keule zu verändern?
DAS IST EINE BELEIDIGUNG DEINER VORFAHREN!
O nein! Den ganzen Tag lang hatten sie sich ruhig verhalten.
Selbst beim Melken der Sau.
»Das ist keine Beleidigung«, sagte er laut. »Ich an ihrer Stelle hätte einen Trick benutzt. Um ihnen Hoffnung zu geben. Die kräftigen Jungen würden ihn nicht brauchen, und die Jungen, die nicht stark genug waren, würden sich wenigstens stärker fühlen. Jeder von uns hat davon geträumt, ihren stärksten Mann zu besiegen. Und solange man nicht daran glaubt, dass man es schafft, kann man es auch nicht. Wart ihr denn nie jung?«
In seinem Kopf blieb es still.
Ich glaube nicht, dass sie denken, dachte er. Vielleicht haben sie einmal gedacht, aber dann haben sich die Gedanken abgenutzt, weil sie zu oft gedacht wurden.
»Ich werde dafür sorgen, dass der kleine Junge überlebt, auch wenn ich jede Sau auf dieser Insel melken muss«, sagte er, obwohl allein die Vorstellung schon schrecklich war.
Keine Antwort.
»Ich dachte, es würde euch vielleicht interessieren«, sagte er, »da ich ihm von euch erzählen werde. Wahrscheinlich. Er ist die nächste Generation. Diese Insel wird sein Zuhause sein. Wie für mich.«
Die Antwort kam zögernd und klang knirschend und rissig: DU BRINGST SCHANDE ÜBER DIE NATION! ER IST NICHT VON UNSEREM BLUT…
»Wo ist denn euer Blut?«, blaffte Mau lauthals.
»Wo ist denn euer Blut?«, wiederholte eine Stimme.
Er blickte zu der zerfetzten Krone einer Kokospalme hinauf.
Der graue Papagei schaute mit offenem Schnabel zu ihm herunter. »Zeig uns deinen Schlüpfer. Wo ist denn euer Blut? Wo ist denn euer Blut?«, krächzte der komische Vogel.
Das ist es, dachte er. Sie sind nichts weiter als Papageien. Dann stand er auf, nahm seinen Speer, wandte sich dem Meer zu und bewachte die Nation vor der Dunkelheit.
Mau schlief nicht, natürlich nicht, doch irgendwann blinzelte er, und als er die Augen wieder aufschlug, leuchteten die Sterne hell am Himmel und die Morgendämmerung war nur noch wenige Stunden entfernt. Das war aber kein allzu großes Problem.
Eine schnarchende, alte Sau würde sich leicht finden lassen. Sie würde keine Fragen stellen, wenn unverhofft ein leckerer Klumpen Bierbrei vor ihrer Schnauze lag, und wenn es Zeit wurde, die Flucht zu ergreifen, konnte er
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