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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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auf, während er die Feldzäune mit frischen Dornenzweigen reparierte, um die Schweine fernzuhalten. Sie sagte nichts, sondern setzte sich einfach in seine Nähe und beobachtete ihn. Das konnte sehr irritierend sein, wenn man es nur lange genug machte. Eine Wolke des Schweigens türmte sich auf wie eine Gewitterfront. Mau konnte sehr gut schweigen, das Mädchen hingegen nicht. Früher oder später würde sie etwas sagen müssen, wenn sie nicht platzen wollte.
    Dabei spielte es auch keine Rolle, dass Mau kaum etwas verstand. Sie musste reden und die Welt mit Wörtern füllen.
    »Das Land meiner Familie ist größer als die ganze Insel«, sagte sie schließlich. »Wir haben Farmen, und einmal hat ein Schäfer mir ein verwaistes Lamm geschenkt, damit ich es versorge.
    Ein Lamm ist übrigens ein Babyschaf. Hier habe ich noch keine gesehen, also weißt du wahrscheinlich gar nicht, was das ist. Sie machen Maaah. Die Leute behaupten immer, sie würden Määäh machen, aber das stimmt nicht. Es ist eher ein A als ein Ä, aber die Leute sagen es trotzdem, weil sie nie genau hinhören. Meine Mutter hat mir ein kleines Schäferinnenkostüm genäht, und ich sah darin so süß aus, dass einem übel werden konnte, und das ungezogene Biest nutzte jede Gelegenheit, um mir in den… um mich zu stoßen. Aber natürlich kannst du damit wohl nicht allzu viel anfangen.«
    Mau konzentrierte sich darauf, die langen Dornenzweige zwischen die Pfähle zu flechten. Bald würde er gehen und aus dem Dickicht am Nordhang neue holen müssen, dachte er. Vielleicht sollte er lieber sofort losgehen. Wenn er schnell lief, verzichtete sie vielleicht darauf, ihm zu folgen.
    »Eigentlich wollte ich dir ja erzählen, dass der Schäfer mir gezeigt hat, wie man ein Lamm dazu bringt, Milch von den Fingern zu saugen«, plapperte das Mädchen gnadenlos weiter.
    »Man muss die Milch langsam über die Hand tröpfeln lassen.
    Ist das nicht komisch? Ich spreche drei Sprachen und kann Flöte und Klavier spielen, aber nun stellt sich heraus, dass die nützlichste Fähigkeit, die ich jemals erlernt habe, darin besteht, ein kleines, hungriges Geschöpf von meinen Fingern Milch trinken zu lassen!«
    Das klingt, als würde sie ihre Worte für sehr wichtig halten, dachte Mau, also nickte er und lächelte.
    »Wir haben sehr viele Schweine. Ich habe auch schon oft die kleinen Ferkel beobachtet«, fuhr sie fort. »ICH SPRECHE GERADE VON SCHWEINEN. Oink-oink, grunzgrunz.«
    Ah ja, dachte Mau, es geht um Schweine und Milch. Na gut.
    Das hatte ich schon befürchtet.
    »Oink?«, sagte er.
    »Ja, richtig! Und dazu möchte ich dich etwas fragen. Ich weiß ganz genau, dass man ein Schwein nicht melken kann wie ein Schaf oder eine Kuh, weil sie keine…« Sie berührte ihre Brust und ließ die Hände dann hastig hinter ihrem Rücken verschwinden. »… keine von diesen Euterdingern haben.« Sie hustete. »MAN KANN SIE NICHT MELKEN, VERSTEHST DU?« Und nun bewegte sie die Hände auf und ab, als würde sie an Stricken ziehen, während sie aus unerfindlichem Grund gleichzeitig schlürfende Geräusche von sich gab. Sie räusperte sich. »Äh… also habe ich mir gedacht, dass es nur eine einzige Möglichkeit gibt, wie du an die Milch für das Baby gekommen bist. Entschuldige aber du musstest dich an eine Sau mit Ferkeln anschleichen, was ziemlich gefährlich sein dürfte, und dich zwischen die Schweinchen drängen – sie machen dabei ziemlich viel Lärm, nicht wahr? – und… äh…« Dann schürzte sie die Lippen und machte ein saugendes Geräusch.
    Mau stöhnte. Sie hatte es sich zusammengereimt!
    »Und, äh, nun ja, ich meine, Pfui Spinne! Und dann dachte ich, na gut, es ist pfui, aber das Baby ist glücklich und weint nicht mehr, Gott sei Dank, und auch der Mutter scheint es besser zu gehen… also, nun ja, da dachte ich… Ich wette, dass selbst die großen Helden der Geschichte, du weißt schon, die mit Helm, Schwert und Federbusch, selbst sie würden sich niemals in den Dreck werfen, weil ein Baby vor Hunger zu sterben droht, und sich an eine Sau anschleichen und… ich meine, wenn man genau darüber nachdenkt, ist es immer noch pfui, aber… auf eine gute Art und Weise. Denn obwohl es eklig ist, hast du es aus einem Grund getan, der die Sache… irgendwie… heilig macht.« Danach wusste sie offenbar nicht weiter.
    Mau hatte »Baby« verstanden. Er war sich auch ziemlich sicher, was »pfui« bedeuten sollte, weil ihr Tonfall ein recht deutliches Bild zeichnete. Aber mehr

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