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Eine italienische Kindheit

Eine italienische Kindheit

Titel: Eine italienische Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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sonderndarum, ein abschreckendes Exempel zu statuieren, um die Bevölkerung einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, den Widerstand gegen die deutsche Besatzung wie auch immer zu unterstützen. Deshalb wurden sowohl das Attentat wie auch die Vergeltungsaktion mit größtem Aufsehen publik gemacht. Am 25. März veröffentlichten die römischen Zeitungen ein Kommunikat des deutschen Kommandos, in dem sowohl das Attentat der Partisanen wie auch die bereits erfolgte Repressalie bekanntgegeben wurden. Der
Osservatore Romano
, das Organ des Vatikans, kommentierte am nächsten Tag dieses Kommunikat, indem er bedauerte, dass die wahren Verantwortlichen, nämlich die Partisanen, der Festnahme entgangen seien, womit die Verantwortung für das von den Nationalsozialisten begangene Massaker letztlich den Partisanen zugeschoben wurde. Damitbegann die schändliche Verleumdungskampagne über die wahren Schuldigen an der deutschen Vergeltungsaktion. In Rom wurde damals viel über das Massaker in den «Fosse Ardeatine» geredet, ich selbst aber erfuhr überhaupt nichts davon. Wahrscheinlich suchte mein Vater das Gemetzel vor mir geheimzuhalten, um mich nicht noch mehr zu ängstigen, zumal ich immerzu mit ihm in der Stadt herumlief und ständig das Risiko bestand, in Razzien verwickelt zu werden. Überhaupt erzählte er mir nie etwas vom Kampf der Widerständler, obwohl er sicher davon wusste, denn er las täglich die römische Zeitung
Il Messaggero
, in der oft Meldungen und Berichte über die für die Deutschen sehr verlustreichen Anschläge der Partisanen veröffentlicht wurden. Zweifellos aber wusste er weniger von dem Massaker in den «Fosse Ardeatine» als das, was später der Historiker Alessandro Portelli darüber in Erfahrung brachte, der diesem Verbrechen 1999 ein bemerkenswertes Buch widmete.
    Gefangene Zivilisten beim Palazzo Barberini
    Die Resistenza war sehr stark in Rom und die deutsche Reaktion stets gnadenlos. Schon im Dezember 1943 waren im Forte Bravetta drei Partisanen erschossen worden, vierzehn andere am selben Ort im Januar 1944, weitere elf im Februar und so fort bis zum letzten Tag der deutschen Besatzung, als die flüchtenden Deutschen am 3. Juni noch einmal sechs Partisanen im Forte Bravetta und vierzehn in La Storta im Norden von Rom füsilierten. Nach der Befreiung wurde der ehemalige Polizeipräsident von Rom, Pietro Caruso, ein eifriger Kollaborateur der Deutschen, vor Gericht gestellt. Zu Beginn des Prozesses erkannten die Angehörigen der Opfer der «Fosse Ardeatine» den Direktor des Gefängnisses «Regina Coeli», Donato Carretta, der als Zeuge geladen war. Er hatte sich während seiner Amtszeit nicht einmal schlechtbenommen und sogar versucht, den Gefangenen irgendwie zu helfen, aber die wütende Menge machte keinen Unterschied und lynchte ihn auf der Stelle auf grauenvolle Weise. Der Prozess gegen Caruso wurde trotzdem sofort wiederaufgenommen und endete mit seiner Verurteilung zum Tod, die am 23. September 1944 mit einem Schuss in den Nacken ausgeführt wurde.
    Nach einer kurzen Unterbrechung wegen des schweren Trauerfalls, der uns getroffen hatte, begann mein Vater wieder zu reisen, um Waren einzukaufen, die er in Rom wieder verkaufen konnte. Dies war die einzige Möglichkeit, das nötige Geld zu beschaffen, um die Familie versorgen zu können. Er hatte keine Wahl, er musste nach Florenz zurück, wo sich seine Lieferanten befanden.

6. Florenz
    Als mein Vater sah, wie verwirrt, niedergeschlagen und untröstlich ich war, beschloss er, mich auf diese Reise mitzunehmen. Er reservierte zwei Plätze für uns in einem Auto, das zwischen Rom und Florenz hin und her pendelte und in dem wir eines schönen Morgens früh bei Tagesanbruch Platz nahmen. Das Auto war ein alter Ford und keuchte langsam vor sich hin. Besonders große Schwierigkeiten machten ihm die Steigungen, und als wir auf der Via Cassia zur steilen Auffahrt von Radicofani kamen, mussten alle Insassen aussteigen, um das Auto zu schieben. Nicht einmal leer schaffte es den Berg hoch. Bei Dämmerung gelangten wir mühsam nach Siena, wo wir übernachteten. Wir gingen in ein kleines Hotel, das mein Vater kannte, aber dort war nur ein Einzelzimmer frei, so dass wir uns das Bett teilen mussten. Am nächsten Morgen stiegen wir wieder in unseren alten Ford und gelangten in einem halben Tag glücklich nach Florenz.
    Hier mieteten wir uns in einer von meinem Vater schon vorher besuchten Pension ein, die zum Arno hin lag. Sie war sehr sauber gehalten

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