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Eine italienische Kindheit

Eine italienische Kindheit

Titel: Eine italienische Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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Zeitlang ging das auch gut.
    Deutsche Soldaten auf dem Petersplatz
    Plötzlich jedoch änderten die Amerikaner ihren Zeitplan und bombardierten an einem Nachmittag, und zwar gerade in unserer Gegend. Am 19. März 1944 wurden wir alle drei auf der Straße von einem Bombenangriff überrascht. Ich war zum Friseur gegangen, um mir die Haare schneiden zu lassen, Arturo mit einem Eimer auf der Suche nach einem öffentlichen Brunnen unterwegs. Das Wasser war nämlich seit langem rationiert, und wenn man nicht in den wenigen Stunden zu Hause war, wenn es aus den Hähnen tröpfelte, musste man es sich auf der Straße holen. Als ich den Knall der Explosionen hörte, rannte ich gleich nach Hause und fand dort meinen ältesten Bruder vor, während Arturo noch nicht heimgekehrt war. Wir machten uns sofort auf die Suche nach ihm, fanden ihn aber nicht bei den öffentlichen Brunnen in der Nähe unseres Hauses. Wir begannen das Schlimmste zu fürchten und suchten ihn auch in etwas größerer Entfernung. Dabei entdeckten wir, dass auf der breiten Straße, die das Viertel mit dem Zentrum verband, eine Bombe eine Straßenbahn voller Menschen, die auf demRückweg von der Arbeit waren, getroffen und ein Gemetzel angerichtet hatte. Neben der Straßenbahn sahen wir eine Menge Tote und stöhnende Verletzte liegen. Wir suchten auch hier, aber Arturo war nicht unter ihnen. So kehrten wir schließlich allein ins Hotel zurück. Ich erinnere mich, dass unsere Mutter mit unseren Schwestern vor dem Hotel auf uns wartete, denn sie hatte gehört, dass ausgerechnet in unserem Viertel Bomben gefallen waren. Als wir sie sahen, versteckten wir uns mit einem unkontrollierten, instinktiven Sprung hinter der Ecke an der Piazza San Claudio, um ihr zu verbergen, dass wir nur zu zweit waren. Sie sah uns dennoch und stürzte mit der bangen Frage zu uns, wo unser Bruder denn sei. Wir erzählten ihr alles, und sie ahnte, dass etwas sehr Schlimmes passiert sein musste.
    Am Abend kam mein Vater von der Reise zurück. Er telefonierte sofort mit dem Portier unseres Wohnhauses, erzählte ihm alles und bat ihn, nach dem Sohn zu suchen, der fehlte. Am Tag darauf teilte der Portier ihm mit, dass er ihn im Leichenhaus unter den Opfern des Bombenangriffs gefunden habe. Für meine Eltern war sein Tod ein unerträglicher Schmerz, meine Mutter war verzweifelt darüber, dass sie auf die Idee gekommen war, uns in unsere Wohnung zu schicken. Mein Vater fand keinen Trost und wiederholte mechanisch, dass er alles nur Menschenmögliche getan habe, um die Familie vor den Bombenangriffen zu schützen, indem er sie durch Italien schleppte, immer auf der Suche nach dem sichersten Ort. Dann wurde bekannt, dass die Amerikaner eigentlich die Macao-Kaserne beim Castro Pretorio hatten bombardieren wollen. Doch die Bomben waren auf unschuldige zivile Ziele gefallen, auf das große Universitätskrankenhaus und auf die Häuser in der Umgebung derKaserne, hatten Terror verbreitet und Menschen getötet, die aus dem Zentrum, wo sie sich den Tag über vor den Luftangriffen zu schützen versucht hatten, wieder nach Hause fuhren.
    Römische Frauen beim Wasserholen
    Der plötzliche Tod meines Bruders, des unzertrennlichen Spielkameradens meiner Kindheit, war für mich eine sehr harte Prüfung. Die Tatsache, dass ihn die Amerikaner, nicht die Deutschen getötet hatten, sollte großen Einfluss auf mein späteres Leben haben. Sein Tod machte deutlich, dass wir nicht länger im Hotel bleiben konnten, ein Pendeln in die unsichere Wohnung kam nicht länger in Frage. So wandte sich mein Vater noch einmal an die Agenturen, um eine Wohnung in der Innenstadt zu finden, und diesmal hatte er gleich Glück. Eine ziemlich große Wohnung im ersten Stock eines Hauses in der Via Firenze, einer Nebenstraße der Via Nazionale, und ganz in der Nähe der Basilika Santa Maria Maggiore war frei geworden und lag im geschützten Teil Roms. Mein Vater mietete es sofort, und wir zogen umgehend dort ein. Vor uns hatte hier eine Gruppe britischer Kriegsgefangener gelebt, die im Jahr zuvor, als das italienische Heer in Auflösung begriffen war, aus dem Gefangenenlager geflohen waren. Dann hatte sie der damals schon sehr aktive römische Widerstand in Zusammenarbeit mit dem britischen Geheimdienst durch die Front geschleust, um ihnen zu ermöglichen, wieder zu den alliierten Truppen im Süden von Rom zu stoßen.
    Nach dem Tod meines Bruders schloss ich mich so eng wie nie zuvor an meinen Vater an, so dass er mich bei seinen

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