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Eine Jungfrau Zu Viel

Titel: Eine Jungfrau Zu Viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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die Augen. Sein Gesicht verriet mir das Schlimmste. In meinem grausigen Beruf als Ermittler hatte ich mehr als genug Menschen gesehen, die diesen Gesichtsausdruck trugen. »Hat es einen Unfall gegeben?« Ich zeigte mich optimistisch.
    Aelianus riss sich zusammen. »Vermutlich nicht. Ich bin über eine Leiche gestolpert. Aber wer immer das auch war, eines ist sehr klar – er ist nicht durch einen Unfall gestorben.«

VIII
     
     
    »Ganz ruhig, lass dir Zeit, mein Sohn.« Der Senator fand einen Wasserkrug und einen Becher. Aelianus spülte sich den Mund aus und spuckte in den Becher. Geduldig leerte ich ihn in das antike Gefäß, das Aelianus bereits benutzt hatte, spülte den Becher aus, goss frisches Wasser hinein und zwang Aelianus, es zu trinken.
    »So«, sagte ich mit fester Stimme. »Dein Vater hat mir erzählt, dass du den Hauptfeiertag zwischen Kornkränzen und Tischservietten verbringen wolltest. Dir den Bauch voll schlagen wolltest mit den Genüssen aus dem heiligen Hain der Arvalbrüder. Ist es dort passiert?«
    Aelianus richtete sich auf und nickte. Ich knurrte ihn an, barsch wie ein Legionärskommandeur, der sich von einem Kundschafter Bericht erstatten lässt: »Der Hain befindet sich wo?«
    »Fünf Meilen außerhalb der Stadt an der Via Portunensis.« Er hatte in der Armee und bei der Zivilverwaltung gedient. Er konnte einen verlässlichen Bericht abgeben, wenn er wollte.
    »Reden wir hier über einen Ring knorriger alter Bäume?«
    »Nein. Das ist mehr eine Art Forumskomplex, mit einem Circus, mehreren Tempeln und einem Cäsarium für die Vergöttlichten Kaiser.«
    »Wie modern! Ich Dummkopf hatte eher was Rustikales erwartet.«
    »Kaiser Augustus hat die Rituale modernisiert. Der Kult war ziemlich in Vergessenheit geraten …«
    »Natürlich! Der musste sich auch in alles einmischen. Also, erzähl mir genau, was sich da abgespielt hat.«
    »Es fanden Opferungen und Feierlichkeiten statt, gefolgt von Spielen und Rennen.«
    »War die Öffentlichkeit zugelassen?«
    »Ja.«
    »Nur Männer?«
    »Nein.«
    »Sind die Festlichkeiten vorbei?«
    »Viele hängen noch da rum. Die meisten Brüder sind nach Rom zurückgekehrt, zu einem weiteren Festmahl im Haus des jetzigen Meisters.« Er hielt inne. »Na ja, bis auf einen.« Ich nahm die Bemerkung in mich auf, ließ ihn aber weiterreden. »Ich bin früh gegangen. Leute, die bei den Spielen gewesen waren, amüsierten sich immer noch im Hain.«
    »Warum bist du abgehauen?«
    Aelianus seufzte. »Einer der Brüder hatte mich beiseite genommen und mir gesagt, sie hätten das Gefühl, ich sei ›noch nicht so ganz bereit, die Bürde der Wahl in einen so anspruchsvollen Kult auf mich zu nehmen‹. Er meinte offensichtlich, ich sei nicht wichtig genug.« Aelianus senkte den Blick; sein Vater presste die Lippen zusammen. »Ich fühlte mich mies. Ich versuchte ein stoisches Gesicht zu machen, hörte den höhnischen Bastard aber immer noch sagen, was ich für einen guten Eindruck gemacht hätte und wie sehr die Brüder hoffen würden, dass ich eine andere Möglichkeit finden würde, meine angeblichen Talente einzubringen … Ich konnte es nicht ertragen, wie mich die Leute ansahen. Ich weiß, ich hätte es durchstehen sollen …«
    Wieder hielt er inne, stützte sich auf den Ellbogen und bedeckte seinen Mund mit der Hand. Seine Fingernägel waren abgekaut. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. Wo mein Daumen die Haut unter dem Rand seiner Tunika berührte, fühlte sie sich kalt an. Er befand sich im Schockzustand.
    Aelianus fuhr mit leiser Stimme fort: »Mein Pferd war vor dem Hain angebunden, zusammen mit anderen. Um dorthin zu kommen, musste ich am Pavillon des Meisters vorbei, einem großen, für das Ereignis aufgestellten Zelt. Ich hörte eine Gruppe von Leuten herauskommen, daher schlich ich mich schnell hinten herum, um ihnen auszuweichen. Ich stolperte über eine der Spannleinen und fiel dann direkt auf die Leiche.«
    Noch einmal machte er eine kurze Pause.
    »Ich dachte, der Mann sei betrunken. Ich weiß nicht, was mich so erschreckt hat. Aber ich merkte, dass mein Herz raste, noch bevor ich richtig hingeschaut hatte. Die Leute, die ich gehört hatte, gingen alle in eine andere Richtung. Es wurde still. Niemand war mehr da. Ich konnte kaum fassen, was ich sah. Es war entsetzlich. Er lag in seinem eigenen Blut. Seine Kleidung war damit voll gesogen. Sein Kopf war mit einer Art Tuch umwickelt, das auch voll Blut war. Seine Wunden sahen schrecklich aus, besonders

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