Eine Jungfrau Zu Viel
Auch durch eine Lotterie?«
»Nein. Durch Kooptation der dienenden Brüder.«
»Ah so! Also infiltriert Aelianus die Kornkranzträger und beeindruckt sie mit seinem geselligen Naturell, besonders mit seinem Geschick, guter Gartenbaukunst zu huldigen, während er sich für die Liebe Roms einen ansäuft?«
Das konnte problematisch werden.
Aulus Camillus Aelianus war zwei Jahre jünger als Helena, also wäre er bereits vierundzwanzig, vielleicht fünfundzwanzig, wenn er sich für den Senat bewarb. Ihre Geburten waren ziemlich schnell aufeinander gefolgt. Das deutete auf eine enervierenden Zeit der Leidenschaft in der Ehe ihrer Eltern hin, worüber ich lieber nicht nachdenken wollte. Aelianus hatte bescheidene Ämter in der Armee und dem zivilen Büro des Statthalters von Baetica überstanden und war jetzt so weit, sich zur Wahl aufstellen zu lassen. Das kostete viel Geld, was immer zu Spannungen in der Familie führte.
Von Aelianus wurde ebenfalls verlangt, seinen potenziellen Wählern mit verbindlichem Lächeln entgegenzutreten, was der Punkt war, den ich für schwierig hielt; so was lag ihm einfach nicht. Er hatte eine etwas mürrische Veranlagung, war ein bisschen zu egoistisch, und ihm fehlte die gespielte Wärme, mit der er sich bei den muffigen alten Senatoren einschmeicheln musste. Sein Vater würde ihn irgendwann auf die Kurienbänke schieben, aber im Moment konnte es von Vorteil sein, dass das Durchbrennen seines Bruders mit Claudia Rufina alles verzögert hatte. Aelianus musste dringend aufpoliert werden. Sollte das misslingen, würde es ihm nicht schaden, zumindest den Ruf eines Lebemannes zu bekommen. Lebemänner ziehen haufenweise Wählerstimmen an, ohne Bestechungsgelder zahlen zu müssen.
Alles ist relativ. Als Lehrling bei einem Kupferschmied auf dem Aventin hätte dieser Miesepeter weltgewandt und elegant gewirkt. Die Mädchen hätte er damit vielleicht nicht hinters Licht geführt, aber für einen vorderen Platz in der Männerwelt hätte es gereicht.
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte ich, als sein Vater und ich nachdenklich unseren Wein genossen, »aber die Leute rechnen heute damit, dass bei den meisten Wahlen eine Linie verfolgt wird, die dem Kaiser genehm ist.«
»Genau darauf haben wir uns ja verlassen!«, gestand Decimus in seltener Anspielung auf seine Freundschaft mit Vespasian. »Was macht Aelianus denn dann heute bei diesen Burschen?«
Decimus erklärte es auf seine typisch trockene Art. »Die Arvalbrüder – das erfuhren wir, als wir uns auf kriecherische Weise an sie wandten – sind im Mai sehr beschäftigt. Sie halten die jährliche Wahl ihres Meisters ab und zelebrieren vier Tag lang die Rituale ihrer besonderen Gottheit, wobei am zweiten Tag nichts Wichtiges passiert. Ich persönlich glaube, dass sie nach dem ersten hemmungslosen Fressen eine Pause einlegen müssen; gedämpft durch einen Riesenkater, verhalten sie sich danach etwas vorsichtiger.«
»Das sind erwachsene Jungs! Wer ist ihre Gottheit?«
»Dea Dia, die Dame, die sonst unter dem Namen Ops bekannt ist.«
»Die Beschützerin der Feldfrüchte seit Anbeginn der Zeit?«
»Seit Romulus mit dem Pflug die Stadtgrenze zog.«
Ich sah zu Julia, aber sie untersuchte zufrieden eine ihrer winzigen Sandalen. Sie hielt ihr dickes kleines Fußgelenk fest und zog mit interessiertem Gesichtsausdruck an ihren Zehen, was bedeutete, dass sie daran dachte, ihren eigenen Fuß zu verspeisen. Ich beschloss, sie aus empirischer Forschung lernen zu lassen. Decimus setzte seine Erzählung fort. »Am ersten Tag finden die Rituale im Haus des Arvalmeisters in Rom statt – dem für dieses Jahr gewählten obersten Bruder. Sie opfern der Dea Dia bei Sonnenaufgang Früchte, Wein und Weihrauch, salben ihre Statue und halten dann ein formelles Festmahl ab, bei dem weitere Opferhandlungen stattfinden und die Brüder Geschenke für ihre Dienste bekommen.«
Reisen plus Verpflegung, was? Klang nicht schlecht für so einen Klüngel.
»Die wichtigsten Rituale, die heute stattfinden, betreffen die Wahl des nächsten Meisters im heiligen Hain der Dia Dea. Ich hoffe, das wird der Moment sein, an dem sie Hinweise geben, ob Aelianus erfolgreich war. Ich gehe davon aus, dass der neu gewählte Meister ein Mitspracherecht darin hat, wer unter seiner Führerschaft aufgenommen werden wird.«
»Ich wünsche Ihnen Glück. Das wäre ein tolles Bravourstück. Ein Arvalbruder zu sein, ist eine der Ehren, die nur den Angesehensten in der Gesellschaft
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