Eine Jungfrau Zu Viel
der große klaffende Schnitt an seinem Hals. Er war mit einem Opfermesser niedergestochen worden, das immer noch neben ihm lag.«
»War er eindeutig tot?«, fragte Decimus.
»Ohne jeden Zweifel.«
»Kanntest du ihn?«, murmelte ich.
»Nein. Aber ein Kornkranz mit dem weißen Band lag neben ihm, vermutlich im Kampf abgerissen. Er war einer der Arvalbrüder.«
»Tja, dadurch wird eine Stelle frei!« Ich sog die Luft zwischen den Zähnen ein. »Ich nehme an, du hast deinen Fund dann gemeldet?«
Ein Schatten huschte über das Gesicht des jungen Mannes.
»O Aulus!«, stöhnte der Senator.
»Ich war vollkommen durcheinander, Papa. Es gab nichts, was ich für ihn tun konnte. Alles war so entsetzlich. Von dem Mörder war nichts zu sehen, sonst hätte ich bestimmt versucht ihn aufzuhalten. Und ich hatte Angst, dass man mich, wenn man mich da allein mit der Leiche fand, für den Mörder halten könnte.«
Sofort fragte ich: »Könnte die Leiche der Mann gewesen sein, der dir sagte, dass du für die Arvales inakzeptabel bist?«
Aelianus sah mich mit aufgerissenen Augen an und überlegte. »Nein. Nein, Falco. Falscher Körperbau, da bin ich mir sicher.«
»Gut! Was hast du dann gemacht?«
»Bin so schnell wie möglich abgehauen. Zu meinem Pferd gerannt. In gestrecktem Galopp nach Hause geritten.«
»Und bist hergekommen, um uns um Rat zu bitten«, schlug ich vor, obwohl ich eher glaubte, dass er den ganzen Vorfall hatte vergessen wollen.
Er verzog das Gesicht. »Na gut. Ich bin ein Trottel.«
»Nicht so ganz. Du hast deinem Vater, einem Senator, und mir von dem grausigen Fund berichtet … Das ist akzeptabel.« Akzeptabel, aber nicht genug. Ich schnallte meinen Gürtel enger und stopfte die Tunika darunter. »Wir haben zwei Möglichkeiten. Wir können so tun, als wüssten wir von nichts – oder uns wie anständige Bürger verhalten.«
Aelianus wusste, was ich meinte. Er stand auf, schwankte ein bisschen, hielt sich aber tapfer. »Ich muss zum Hain zurück.«
Ich grinste ihn an. »Denk bloß nicht, dass ich dir den ganzen Spaß allein überlasse. Du wirst mich schon mitnehmen müssen. Hast mich hier gemütlich bei einer Flasche Wein überrascht, wo ich doch auf ein Pferd springen und mir auf einem Fünf-Meilen-Ritt aufs Land Verstopfung holen kann, nur um zu erfahren, dass jemand anderes inzwischen dein Schlachtopfer gefunden hat und uns niemand dafür dankt, es ein zweites Mal zu melden.« Ich wandte mich an seinen Vater. »Damit werde ich schon fertig. Aber Sie haben die undankbarere Aufgabe, nämlich Helena und Ihrer Frau zu erklären, warum wir uns aus dem Staub gemacht haben.«
»Ich glaube, ich kann sie ablenken«, sagte Decimus und sprang plötzlich auf. Er beugte sich zur Seite und holte meine kleine Tochter hinter seiner Liege hervor, hielt sie an ihren rundlichen Ärmchen, während sie stolz vorführte, dass sie schon laufen konnte.
Was für ein Anblick. Ich wusste, dass sie zu stehen in der Lage war. Das hatte sie gerade gelernt. Ich hatte nur vollkommen vergessen, wie leicht sie dadurch neue Attraktionen und Gefahren erreichen konnte. Ich zuckte zusammen. Julia war es irgendwie gelungen, an das Tintenfass des Senators zu kommen – offenbar ein zweifarbiges. Ihr Gesicht, ihre Arme, Beine und ihre hübsche kleine weiße Tunika waren jetzt mit großen Flecken in Schwarz und Rot bedeckt. Ihr Mund war mit Tinte verschmiert. Sie hatte sogar Tinte in den Haaren.
Sie zerrte an ihrem edlen Großvater, der sie hochheben musste und sich dabei sofort ebenfalls rot und schwarz beschmierte. Sie spürte, dass es Ärger geben würde. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie begann zu weinen, zuerst leise, aber dann in zunehmender Lautstärke, was in kürzester Zeit alle Frauen des Haushalts auf den Plan rufen würde.
Aelianus und ich verschwanden und überließen es dem Senator, damit fertig zu werden.
IX
Es war immer noch hell. Helena und ich hatten früh mit ihren Eltern gespeist, damit wir mit der Kleinen heimkehren konnten, bevor es auf den Straßen zu gefährlich wurde. Doch als ihr Bruder und ich losritten, setzte die Dämmerung bereits ein. Die Zeit war nicht auf unserer Seite.
Die Via Portunensis führt am Nordufer des Tiber entlang zum neuen Hafen von Ostia. Wir mussten erst durch die Stadt, um den Fluss auf dem Pons Probus zu überqueren. Anacrites und ich hatten unsere Arbeit für den Zensus in der Gegend begonnen und waren gewöhnlich mit dem Boot vom Emporium aus hinübergefahren,
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