Eine Jungfrau Zu Viel
bedeutsame Vogelflüge sah.
Ich hatte mir schon manchmal überlegt, wie er vor dem Morgengrauen im Dunkeln Vögel sehen konnte.
Heute fand keine Auspikation statt. Was auch gut war, weil ich ins Zelt schaute, um Hallo zu sagen, wobei ich vergaß, dass jede Unterbrechung die ganze nächtliche Wache unwirksam machte.
Die heiligen Hühner spielten eine andere Rolle als die heiligen Gänse, aber da sie für Auguralopfer gebraucht wurden, mussten auch sie auf der Arx leben, und daher hatte Vespasian es praktisch gefunden, sie mir ebenfalls aufs Auge zu drücken. Ich fand den Hühnerhalter, einer der wenigen, die schon auf waren. »Sie sind früh dran, Falco.«
»Bin spät ins Bett gekommen.«
Da ich es vorzog, geheimnisvoll zu bleiben, gab ich keine nähere Erklärung ab. Wenn ich nach einer Krise spät ins Bett komme, kann ich nicht schlafen, sondern grüble über die Sache nach. Dann hat man die Wahl, gegen Morgen einzuschlummern und sich schrecklich zu fühlen, wenn man spät aufwacht, oder früh aufzustehen und sich trotzdem schrecklich zu fühlen, aber etwas tun zu können. Wie auch immer, Helena und ich hatten im Haus der Camilli übernachtet, nachdem ich mit ihrem Bruder zurückgekommen war. Ich konnte es nicht ertragen, beim Frühstück höflich zu Leuten zu sein, die ich kaum kannte.
Der Hühnerhalter zeigte mir die Hühnerställe. Sie standen auf Pfählen, um das Ungeziefer nicht eindringen zu lassen. Doppeltüren mit Gitterwerk hielten die Hühner drinnen und boten Schutz vor Hunden, Wieseln und Raubtieren.
»Ich sehe, dass du sie gut versorgst und sauber hältst.«
»Ich will ja nicht, dass sie sterben, weil dann ich die Schuld kriege.«
Wenn man es genau nahm, hatte ich, nachdem ich jetzt als Prokurator für das Federvieh zuständig war, dafür geradezustehen, wenn zu viele der kostbaren Hühnchen von der Stange fielen, aber ich wollte ihm keine Entschuldigung liefern, die Zügel schleifen zu lassen. »Genug Wasser?« Ich hatte in der Armee gedient. Ich wusste, wie man Leute nervte, die ihre Arbeit auch ohne meine Beaufsichtigung bestens erledigen.
»Und genug zu fressen«, erwiderte er geduldig (Typen wie ich waren ihm schon vorher begegnet). »Außer wenn ich einen Wink bekommen habe.«
»Einen Wink?«
»Na, Sie wissen doch, wie das funktioniert, Falco. Wenn der Augur die Zeichen sehen will, öffnen wir den Käfig und füttern die Hühner mit besonderen Klößen. Falls sie nicht fressen oder aus dem Stall kommen wollen – oder wenn sie rauskommen und wegflattern –, ist das ein schlechtes Omen. Aber wenn sie gierig fressen und Krumen über den Boden verstreuen, ist es ein gutes Zeichen.«
»Damit willst du sagen, dass du die Hühner vorher hungern lässt, nehme ich an? Und ich kann mir vorstellen«, fügte ich hinzu, »dass du die Klöße krümelig machst, damit es schneller geht?«
Der Hühnerhalter sog an seinen Zähnen. »Nichts liegt mir ferner!«, log er.
Ich verabscheute das Augurenkollegium unter anderem deswegen, weil es die Staatsgeschäfte durch positiv oder negativ ausfallende Auspikationen manipulieren konnte. Überhebliche Kerle, deren Ansichten mir zuwider waren, konnten wichtige Fragen voranbringen oder verzögern. Ich will damit nicht sagen, dass Bestechungen stattfanden. Nur die alltäglichen Perversionen der Demokratie.
Die Hauptaufgabe der heiligen Hühner bestand darin, gute Omen für militärische Zwecke zu liefern. Armeekommandeure brauchten ihren Segen, bevor sie Rom verließen. Ja, sie konsultierten vor Manövern für gewöhnlich römische Hühner, statt örtliche Hühner zu benutzen, die vielleicht nicht wussten, was von ihnen erwartet wurde.
»Ich hatte schon immer was für die Geschichte des Konsuls Clodius Pulcher übrig, der auf See eine schlechte Auspikation erhielt, als er gegen die Karthager segeln wollte. Der jähzornige alte Kerl warf die Hühner einfach über Bord.«
»Wenn sie nicht fressen wollen, lasst sie trinken!«, zitierte der Hühnerhalter.
»Und so verlor er die Schlacht und seine gesamte Flotte. Was zeigt, dass man die heiligen Vögel respektieren sollte.«
»Das sagen Sie nur, weil das Ihr neues Amt ist, Falco.«
»Nein, ich bin berühmt dafür, nett zu Hühnern zu sein.«
Ich machte mir Notizen auf einer Schreibtafel, damit es gut aussah. Meine Anweisungen als Prokurator waren typisch vage formuliert, aber ich würde einen Bericht vorbereiten, obwohl mich niemand darum gebeten hatte. So was macht die Beamten immer nervös.
Mein Plan
Weitere Kostenlose Bücher