Eine Jungfrau Zu Viel
Frau.
XI
Maia bewegte sich viel zu vorsichtig, sie wirkte verändert. Einer Umarmung wich sie aus, als wäre das eine unnötige Zurschaustellung. Sie war bleich, aber ordentlich gekleidet wie immer, das dunkle Haar aus dem Gesicht gekämmt. Wie ich sah, trug sie ihr Lieblingskleid. Sie wollte uns beruhigen, gab sich große Mühe, doch ihre Lippen waren zusammengepresst.
Ihre vier Kinder waren mitgekommen, und als ich sie ins andere Zimmer führte, um ihnen die Gänslein zu zeigen, folgte Maias Blick ihren Kleinen überfürsorglich. Ihre schon immer artigen Kinder waren noch stiller als sonst, alle intelligent genug, um zu ahnen, dass der Tod ihres Vaters drastische Folgen haben würde. Die Älteren übernahmen insgeheim schon die Verantwortung dafür, sie alle heil durch diese Tragödie zu bringen.
»Die machen aber viel Dreck«, sagte Ancus, jetzt sechs, während er vorsichtig eines der Gänslein hielt. Er schaute besorgt. »Wie willst du sie sauber halten?«
»Sie müssen sie anderswo unterkommen, Ancus. Ich hab heute Morgen schon mit Lenia vereinbart, die Gänslein in ihre Wäscherei auf der anderen Straßenseite zu bringen. Da können sie im Hof rumwatscheln und hinten in der Gasse auf Futtersuche gehen.«
»Aber gehören sie denn nicht auf die Arx?«
»Auf der Arx gibt es momentan genug Gänse.«
»Und du kannst die anderen behalten?«
»Ein Vorteil meiner neuen Stellung.«
Ancus schien sich das mit ernster Miene zu merken, betrachtete es wohl als Berufsmöglichkeit.
»Ich finde es nicht richtig, wenn Gänse dort hinmachen, wo gewaschen wird«, bemerkte Cloelia. Sie war etwa sieben oder acht, meinte, Angst vor Tieren zu haben, hatte aber gleich den Dreh raus, meinen Schützlingen Haferschleim und zerquetschte Nasturiumblätter zu füttern.
Lenias Wäscherei hatte nie den Ruf gehabt, übermäßig sauber zu sein. Ich ging nur zu ihr, weil es praktisch war und sie vorgab, mir Rabatt zu geben. Sie hoffte, die Gänse würden ihre Wäscherei vor der üblen Zudringlichkeit ihres vor kurzem von ihr geschiedenen Mannes schützen. Da es ihm nicht gelungen war, ihr ihren Besitz abzuknöpfen, versuchte Smaractus jetzt Lenia rauszuekeln. »Daran hat Lenia nicht gedacht, also werden wir es auch nicht erwähnen. Helft ihr mir dabei, die Gänslein in ihr neues Heim zu bringen?«
Wir gingen alle gemeinsam hinüber, trugen die kleinen Vögel, ihren Korb und ihren Futtertopf. Das gab Helena und Maia die Gelegenheit, allein miteinander zu reden.
»Den Topf hätten wir gerne irgendwann wieder«, teilte ich Lenia mit.
Sie warf ihre grässlichen fuchsroten Haare zurück und krächzte: »So bald nicht, Falco! Ich brauche den Topf, um die Gänse darin zu kochen, wenn sie groß genug sind.«
»Das meint sie doch nicht ernst, oder?«, flüsterte mir Ancus nervös ins Ohr. So wie ich Lenia kannte, war das durchaus der Fall. »Natürlich nicht, Ancus. Die Gänse sind heilig. Lenia wird gut auf sie aufpassen.«
Lenia lachte.
Wir trafen Petronius vor der Wäscherei. Er hatte Mittagspause und lud sich bei uns ein. Als Eintrittspreis brachte er eine Melone mit.
Helena warf mir heimlich einen finsteren Blick zu, als sie Petro sah, aber ich hoffte, er würde uns dabei helfen, Maia aufzuheitern. Seine Vorstellung von Aufmunterung bestand in einem Zwinkern und der anzüglichen Bemerkung: »Unsere neue Witwe sieht aber schmuck aus!«
»Lass den Blödsinn«, erwiderte Maia. Ihr Blick folgte Cloelia, die etwas unsicher Schüsseln verteilte. »Und glaub ja nicht, du könntest mich mit deiner Nettigkeit wütend machen. Benimm dich einfach normal!«
»O je. Und ich dachte, du hättest es dick, dass normale Leute dir zumurmeln: ›Wie werden Sie denn bloß damit fertig?‹ Das wirst du, keine Bange.«
Meine Schwester sah ihn scharf an. »Ist es wahr, was ich gehört habe – dass Arria Silvia und ihr Salatheini nach Ostia gezogen sind?«
Petronius reagierte gelassener, als ich gedacht hätte, und bestätigte dieses neue Desaster in seinem Leben. »Offenbar bildet sich dieser Schlappschwanz ein, dass die ihm an den Kais seine eingetopften Salatköpfe aus den Fingern reißen. Und ja, Silvia hat meine Töchter mitgenommen. Und nein, ich erwarte nicht, die Mädchen in Zukunft mehr als einmal im Jahr zu sehen.«
»Das tut mir Leid«, meinte Maia kurz angebunden. Wir wussten alle, dass er seine Töchter vermissen würde, aber er war zumindest noch da, wenn sie ihn wirklich brauchten. Das konnten Maias Kinder von ihrem Vater
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