Eine Jungfrau Zu Viel
Toga meines verstorbenen Bruders, sollte ich sagen. Sie hatte schon ein langes Leben hinter sich. Helena hatte sie mit viel Gemurmel um mich gewickelt und dabei bemerkt, dass ich jetzt, da ich einen angesehenen Posten hätte, eine neue kaufen müsse. Angesehen zu sein, würde offenbar teuer werden. Aber man nähert sich einer Jungfrau nicht in einer bekleckerten Tunika mit herabhängender Halsborte.
Man könnte sich vielleicht fragen, warum ich nicht einfach zum Haus der Vestalinnen ging und mich erkundigte, ob die Dame mich empfangen würde. Das brauchte ich gar nicht erst zu versuchen, weil ich wusste, dass sie es nicht tun würde. Vestalischen Jungfrauen ist es erlaubt, über ihre ehrbare Arbeit mit ranghohen Menschen zu sprechen. Sie können das Testament eines Konsuls verwahren oder sich bei einer Krise an den Stadtpräfekten wenden – aber sie haben dieselben Vorurteile wie alle anderen auch. Privatermittler kommen auf ihrer Besucherliste gar nicht erst vor.
Maia hatte mich misstrauisch angesehen, als ich vorschlug, Cloelia mitzunehmen. Sie vermutete, dass ich ihre Tochter aushorchen wollte. Als wir über das Forum gingen, knöpfte ich mir das Kind vor.
Helena griff nach ihrer Hand. Cloelia schlappte in ihren ziemlich großen Sandalen (Maia erwartete, dass sie hineinwuchs), sah zu mir auf und rechnete mit Ärger. Sie hatte die Didius-Locken und etwas von unserem untersetzten Körperbau, ähnelte aber vom Gesicht her am meisten Famia. Die hohen Wangenknochen, die den Zügen ihres Vaters ein leicht schiefes Aussehen verliehen hatten, konnten, bei Cloelias feinerer Physiognomie, sie eines Tages zu einer Schönheit machen. Maia hatte das vermutlich vorausgesehen. Sie konnte damit umgehen oder es zumindest versuchen. Ob ihre Tochter sich auf einen sicheren Kurs führen ließ, blieb abzuwarten.
»Sag mal, Cloelia, du bist ja zu einer Berühmtheit geworden, seit ich dich zum letzten Mal gesehen habe. Wie hat dir der Besuch im Palast der Cäsaren und der Empfang bei Königin Berenike gefallen?«
»Onkel Marcus, Mutter hat mir gesagt, ich soll mich von dir nicht ausfragen lassen, wenn sie nicht dabei ist.« Cloelia war acht, viel reifer, als Gaia gewirkt hatte, nicht so selbstsicher in Gegenwart Fremder, aber meiner Ansicht nach vermutlich intelligenter. Ich war natürlich kein Fremder, nur der verrückte Onkel Marcus, ein Mann mit einem lächerlichen Beruf und neuen sozialen Ansprüchen, die Cloelias weibliche Verwandte sie zu verhöhnen gelehrt hatten.
»Das ist schon in Ordnung. Du könntest mir jedoch vielleicht bei etwas Wichtigem helfen.«
»Ich weiß aber bestimmt nichts«, meinte Cloelia abweisend. Die typische Zeugin! Alles, was sie wusste, musste man ihr aus der Nase ziehen. Wenn Helena mich nicht missbilligend beobachtet hätte, wäre ich vielleicht mit anderen Mitteln vorgegangen (hätte ihr Geld geboten). So konnte ich nur blöde grinsen. Cloelia wandte den Blick nach vorne, zufrieden, mich auf meinen Platz verwiesen zu haben.
»Und wenn ich die Fragen stelle?«, schlug Helena vor. »Wie hat dir die Königin gefallen, Cloelia?«
»Ich mochte nicht, wie sie riecht. Und sie wollte nur mit den richtigen Leuten reden.«
»Wer war das denn?«
»Na, wir offensichtlich nicht. Wir fielen ziemlich auf. Das Kleid meiner Mutter war viel greller als die aller anderen. Ich hatte ihr das schon vorher gesagt. Wahrscheinlich hat sie es absichtlich gemacht. Und ich musste dauernd erzählen, dass mein Vater bei den Wagenlenkern arbeitet. Du kannst dir ja vorstellen, Helena Justina, was sie davon hielten!« Sie machte eine Pause. »Arbeitete«, verbesserte sie sich mit leiserer Stimme.
Ich nahm ihre andere Hand.
Nach einem Augenblick sah sie wieder zu mir auf. »Ich kann jetzt keine Vestalin mehr werden, weißt du. Wir mussten untersucht werden, ob alles an uns in Ordnung war – und sie haben uns gesagt, die andere Bedingung sei, dass unsere beiden Eltern lebten. Also komme ich nicht mehr in Frage. Weder Rhea noch ich. Aber es ist vielleicht sowieso besser, wenn ich zu Hause bleibe und Mutter helfe.«
»Stimmt«, erwiderte ich und war verblüfft, wie so oft. Maias Kinder wirkten auf gewisse Weise erwachsener als unsere eigene Generation. »Sag mal, Cloelia, hast du da auch ein kleines Mädchen namens Gaia Laelia kennen gelernt?«
»Das weißt du doch.«
»Wollt’s nur überprüfen.«
»Sie ist diejenige, die wahrscheinlich ausgewählt wird.«
»Von den Parzen?«
»Ach, Onkel Marcus, sei doch nicht so
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