Eine Jungfrau Zu Viel
Leben und der Arbeit war oder ein gewalttätiges Überbleibsel aus der Zeit, als ich noch hier wohnte.
Jemand kam durch die Tür in den Raum hinter uns. Die Schritte waren leicht und schnell, selbst nach der Bewältigung von sechs Stockwerken. Die Person tauchte in der Falttür auf. Ich saß am nächsten, blieb ganz still, aber bereit, sofort aufzuspringen.
»Liebe Götter, ihr zwei seid ja noch genauso schlimm wie immer!« Wir entspannten uns.
»N’abend, Maia.« Wir waren nicht betrunken, nicht mal angesäuselt. Doch meine Familie ist nun mal gerne ungerecht.
Ich fragte mich, ob meine Schwester wohl Petronius besuchen wollte. Weil ich ihn so gut kannte, bemerkte ich seine Nervosität; er fragte sich dasselbe.
Petro hob einladend die Flasche. Maia schien nicht abgeneigt, schüttelte aber den Kopf. Sie sah müde aus. Bestimmt brauchte sie Trost, doch sie hatte vier Kinder, um die sie sich kümmern musste.
»Helena sagte, du würdest hier oben rumhängen, Marcus. Ich kann nicht bleiben. Marius ist unten und untersucht deinen schrecklichen Hund. Er will wissen, ob’s da schon einen Welpen gibt. Dafür bring ich dich um …«
»Ich gebe mir die größte Mühe, Nux keusch zu halten.«
»Wo du gerade von keuschen Maiden sprichst, ich habe heute was gehört, was dich vielleicht interessieren könnte«, sagte Maia. »Ich hab mit einer der Mütter geredet, deren Tochter auch an der Lotterie der Vestalinnen teilnimmt, genau wie meine Cloelia. Diese Frau hat gesellschaftlichen Umgang mit Caecilia Paeta und hat sie heute Nachmittag besucht. Sie ist dort willkommener als ich, aber ihr Mann ist auch irgendeine Art Priester der Concordia. Na gut, ich bin dem Mann gegenüber vielleicht ungerecht, er könnte ja ein anständiger Treppenwäscher sein … Egal, sie hat mir erzählt, die Laelii seien völlig kopflos rumgerannt, und wenn sie auch nach außen hin so taten, als wäre alles in Ordnung, weiß sie doch Bescheid. Irgendwas ist mit Gaia Laelia passiert.«
Ich richtete mich auf. »Spann uns nicht auf die Folter!«
Bis hierhin hatte Maia ihre Geschichte genossen. Jetzt klang in ihrer Stimme echte Besorgnis durch. »Sie wird vermisst, Marcus. Ist wie vom Erdboden verschwunden. Niemand weiß, wo das Kind ist.«
XXVI
Die Sache ging uns nichts an. Zumindest würden die Laelii das so sehen. Außerdem ließ sich zu dieser späten Stunde kaum noch etwas unternehmen.
Petronius bot an, Maia und ihren Sohn nach Hause zu begleiten, obwohl Maia keinen Gedanken an das Risiko verschwendete. Helena und ich gingen sofort ins Bett. Wir hofften alle, wie man das tun muss, wenn ein Kind vermisst wird, dass sich am nächsten Morgen alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte, Gaia wieder aufgetaucht war und ihr Abenteuer zu einer jener unvergesslichen Geschichten wurde, die jedes Jahr zur Verlegenheit des Opfers beim gemütlichen Beisammensein während der Saturnalien aufs Tapet gebracht wird. Aber wenn die vermisste Person ein Kind ist, das behauptet hatte, seine Familie wolle es töten, hat man ein schlechtes Gefühl, wie ruhig man auch zu bleiben versucht.
Früh am nächsten Morgen besuchte Maia ihre Freundin, die Mutter, die ihr von der Sache erzählt hatte. Selbst besorgt, war die Frau bereits bei Caecilia Paeta gewesen. Das Kind war nicht gefunden worden. Die Familie gab sich nach außen hin unbesorgt.
Dann statteten Helena und Maia – als Matronen, die ihr Mitgefühl ausdrücken wollten – den Laelii selbst einen Besuch ab, wurden aber an der Tür barsch abgewiesen.
Kinder gehen aus allen möglichen Gründen verloren. Sie erinnern sich nicht mehr an den Heimweg. Sie bleiben bei Freunden, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Gelegentlich freunden sie sich aber auch mit zwielichtigen Gestalten an, von denen niemand weiß, und werden zu gefährlichen Dingen verleitet.
Kinder verstecken sich gern. Viele »vermisste« Kinder findet man zu Hause wieder, eingeschlossen in einem Schrank oder kopfüber in einer riesigen Urne. Für gewöhnlich gelingt es ihnen, nicht zu ersticken.
Manchmal werden Mädchen für Bordelle entführt. Petronius Longus raunte mir zu, dass in den abscheulichen Niederungen, wo alles möglich ist, ein sehr hoher Preis für eine Sechsjährige aus gutem Hause und potenzielle Vestalin gezahlt würde. Sobald Maia am nächsten Morgen berichtete, dass das Kind immer noch vermisst werde, nahm Petro es auf sich, sofort alle Kohorten zu alarmieren.
»Du bist mein Kronzeuge, Falco. Beschreibung des Kindes,
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