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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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ich ihn mir schnappen sollte. Aber ich ließ es bleiben. Pancho war immer zu schnell für mich. Er wollte einfach nicht schmusen. Ich lächelte ihn an. Sein Körper war schon nicht mehr so entspannt wie vorhin, und seine Neugier war beinahe befriedigt. Bald würde er sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung widmen – der Flucht vor dem bösen Feind.
    Jo kicherte, und ich blickte sie an. Sie betastete ihr bandagiertes Gesicht. »Ich habe gerade daran gedacht«, erklärte sie, »wie lächerlich es ist, nach Manhattan zu kommen und um ein Haar von einem betrunkenen Autofahrer getötet zu werden. Ich dachte immer, alle betrunkenen Fahrer wären auf der Long-Island-Schnellstraße unterwegs.«
    »Woher willst du wissen, daß der Fahrer betrunken war, Jo?«
    »Na ja, schließlich hat die Polizei es gesagt.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Man muß schon betrunken sein, um mit einem Kleinlaster auf einen Bordstein zu fahren und das Fenster eines Restaurants zu zerschmettern.«
    Wir hatten beide überlebt. Jetzt war es an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen.
    »Der Fahrer war nicht betrunken, Jo«, sagte ich. »Er hat versucht, uns zu ermorden.«
    Sie stieß ein kurzes, nervöses Lachen aus. »Woher willst du das wissen, Alice?«
    »Woher ich das weiß?« Ich schloß die Lider und ließ den Unfall noch einmal vor meinem geistigen Auge ablaufen. Der Fahrer des roten Lieferwagens hatte mit laufendem Motor auf uns gewartet, als wir aus dem Restaurant gekommen waren. Dann war er sofort losgefahren und hatte von seinem Parkplatz in der zweiten Reihe auf die gegenüberliegende, leere Straßenseite gewechselt, um beschleunigen zu können. Und dann war er geradewegs auf uns zu gerast. Ich hatte den Laster gesehen – und Sekunden später gewußt, daß der Fahrer es auf uns abgesehen hatte.
    »Er hat versucht, uns zu ermorden, Jo.«
    »Warum sollte jemand die Absicht haben, uns zu ermorden?« fragte sie skeptisch und ein wenig verängstigt.
    Ich gab keine Antwort, schaute zu den Katzen hinüber. Pancho war verschwunden. Bushy streckte sich am Boden. Mein Oberschenkel pochte so heftig, als säße ein Frosch unter der Haut.
    Der kleine rote Lieferwagen hatte meine idealistischen Ambitionen allesamt über den Haufen gefahren. Er hatte mir bewußt gemacht, daß das Leben immer noch kostbar für mich war. Sicher, ich war keine große Schauspielerin geworden, die bedeutende Rollen gespielt hatte, doch mein Talent gab es nach wie vor und meine Katzen und meine Wohnung und Hunderte von winzigen Dingen, aus denen ein Leben sich zusammensetzt… und die ich sehr liebte.
    Der kleine rote Lieferwagen hatte mich klipp und klar vor die Frage gestellt: Bist du wirklich bereit, das alles aufs Spiel zu setzen, um herauszufinden, wer Harry Starobin ermordet hatte?
    Nein, war ich nicht.
    »Jo«, sagte ich so behutsam, wie ich konnte, »man hat versucht, uns zu töten, weil wir deinen Gatten nicht in Frieden ruhen lassen.«
    »Das glaube ich nicht, Alice. Ich habe das Recht, herauszufinden, wer Harry ermordet hat.«
    Es war eine so naive Erklärung, daß ich ungewollt scharf darauf antwortete: »Sei nicht dumm, Jo. Ich rede nicht über Rechte. Ich rede über das viele Bargeld in Harrys Schließfach und Gott weiß wo sonst noch. Ich rede über Menschen, die andere Menschen töten. Möchtest du sterben, Jo? Diese Leute, wer sie auch sein mögen, haben versucht, uns zu ermorden, und sie werden es wieder und wieder versuchen, wenn wir nicht aufgeben.«
    Jo gab keine Antwort. Sie lehnte den Kopf nach hinten auf die Sofakissen. Ein winziger Fleck bildete sich auf ihrer Wange; das Blut hatte den Verband durchtränkt.
    Ich wußte, was sie dachte. Sie dachte, daß ihre gute Freundin Alice die Sache mit Harry auf sich beruhen lassen wollte. Ja, genau das wollte ich. Ich wollte die Sache mit Harry vergessen und Jos und mein Leben retten. Wir beide waren schon zu tief in diese Geschichte hineingeraten. Wir hatten die Oberfläche von irgend etwas angekratzt, das tödlich gefährlich war.
    »Du möchtest also, daß wir einfach aufgeben«, sagte Jo, »daß wir die ganze Sache diesem schrecklichen Detective Senay überlassen, der rein gar nichts über Harry weiß… dem Harry vollkommen egal ist.«
    »Ja.«
    »Ich soll einfach nach Hause fahren und alles vergessen – Harrys Unterlagen, seinen Tod, das Geld… und den Mord an Mona? Möchtest du das? Erwartest du das von mir?«
    »Lebe einfach dein Leben weiter, Jo.«
    »Welches Leben?«
    »Jedes Leben, das du führen

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