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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Alice. Tut mir leid. Flugreisen machen mich immer ganz verrückt.«
    Wir bestellten uns Drinks.
    »Und was gibt es bei dir Neues?« fragte sie.
    Ihre Frage kam mir so absurd vor, daß ich zuerst in Gelächter und dann in Tränen ausbrach. Wie sollte ich ihr erzählen, was geschehen war? Wie sollte ich ihr von den Morden erzählen? Sie würde es weder begreifen, noch würde sie sich dafür interessieren. Wie sollte ich ihr von der Angst und dem Schock erzählen, als der rote Lieferwagen auf Jo und mich losgerast war?
    »Was ist mir dir, Alice? Fühlst du dich nicht wohl?«
    Auf ihrem Gesicht spiegelte sich so aufrichtige Besorgnis, daß ich mich schrecklich schämte, unsere kleine Wiedersehensfeier zu verderben.
    Doch ich hatte mich rasch wieder unter Kontrolle. »Nein, nein. Es geht um einen Mann«, sagte ich hastig.
    »Einen Mann? O je, ich habe alles vergessen, was ich über Männer wußte«, meinte sie spöttisch. »Das sind die Menschen ohne Busen, wenn ich mich recht entsinne, stimmt’s?«
    »Ich glaube, ich werde mich auf eine Liebesaffäre einlassen, Carla. Ich bin ein bißchen nervös. Meine letzte Liaison liegt schon sehr lange zurück.«
    »Wer ist der Glückliche?«
    »Ich habe ihn an der Pferderennbahn kennengelernt. Er trainiert Galopper.«
    »Interessant. Bei mir ist es auch schon lange her, daß ich eine Affäre hatte, Alice. Aber seit ich jetzt öfters mit Waring ausgehe…«
    »Waring?« unterbrach ich sie; denn ich konnte mich nicht an den Namen erinnern.
    »Der kanadische Millionär, von dem ich dir erzählt habe. Der Mann, der meine Produktionen finanziert.«
    »Ach, entschuldige. Natürlich erinnere ich mich. Gehst du mit ihm ins Bett?«
    »Nein. Das ist es ja gerade. Er ist klug und gut aussehend und reich und ein bißchen verrückt. Die Sorte Mann, von der ich schon lange geträumt habe. Aber ich sitze immer nur mit ihm zusammen und trinke und rede mit ihm über das Theater, ohne daß eine einzige erotische Andeutung fällt. Du wirst es erleben. Er ist hier in New York. Nachdem ich mit dir gesprochen hatte, habe ich ihn vom Flughafen aus angerufen. Er kommt hierher, um ein paar Drinks mit uns zu nehmen. Aber erst einmal möchte ich mehr über deinen Trainer erfahren.«
    »Er heißt Charlie Coombs und ist weder reich noch gut aussehend, aber ein bißchen verrückt ist er vermutlich auch.«
    »Man kann nicht alles haben«, sagte Carla.
    Eine weitere Runde wurde an unseren Tisch gebracht, und wir vertieften uns in eines dieser wundervollen, freimütigen Gespräche, die im Grunde genommen sexuelle Autobiographien sind. Es war phantastisch. Wir schwelgten in Erinnerungen.
    Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Und dann hörte ich eine Stimme.
    »Sie sind also Julias Amme«, sagte die Stimme. Ich drehte mich um und sah einem Mann ins Gesicht.
    »Ich bin Waring«, sagte er, zog sich einen Stuhl an unseren Tisch und setzte sich, ohne zu fragen.
    Hält der Kerl sich für den Papst? dachte ich sarkastisch. Nur der Nachname – Waring. Als müsse alle Welt ihn kennen. Na ja, vielleicht nannten alle steinreichen Männer nur ihre Nachnamen, sogar im Bett. Waring war hochgewachsen und dünn. Sein Haar lichtete sich bereits, doch er trug es ziemlich lang und hatte es straff nach hinten gekämmt. Er war in einen alten braunen Cordanzug gekleidet; darunter trug er ein dunkelblaues Hemd und eine hellblaue Strickkrawatte. Er sah wie ein Akademiker aus. Sein Gesicht war faltig, seine Augen blau. War er fünfzig? Sechzig? Es war schwer zu schätzen.
    »Keine Sorge, ich werde Sie nicht wegen der Rolle belästigen«, sagte er zu mir. »Carla hat mir sämtliche Benimm-Regeln beigebracht, was den Umgang mit Schauspielerinnen betrifft.«
    Seine Stimme besaß einen deutlichen kanadischen Akzent; einen irgendwie klanglosen Tonfall, der nur schwer zu beschreiben und noch schwerer nachzuahmen ist.
    Er lehnte sich zurück und strahlte Carla an. Meine Neugier schlug augenblicklich in Haß um. Der Kerl begaffte Carla, als wäre sie sein Eigentum. Als wäre Carlas Theatertruppe sein neuestes Spielzeug. Als hätte er sich außer seinen Fabriken und Weizenfeldern und Öltankern und Sportwagen und Jachten und Pferden und Hunden jetzt auch noch sein kleines Privattheater zugelegt, das er nur mit seinen Zauberhänden berühren mußte, und – peng! – heraus kam ein zweites Bolschoi-Theater. Mein Gott, der Kerl widerte mich an. Er erinnerte mich an Hunderte anderer reicher ›Mäzene‹, die ich Laufe der Jahre

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