Eine Katze kommt selten allein
mit Coombs bekannt. Er beugte sich zu mir vor und sagte: »Jos Freunde sind auch meine Freunde… egal, unter welchen Begleitumständen ich sie kennenlerne.«
Ich konnte sehen, daß er kleiner war, als ich gedacht hatte – und daß er alte, rote Freizeitschuhe trug. Aus irgendeinem Grund tat mir dieser Anblick gut: Man stelle sich einen Mann vor, der Rennpferde im Wert von Abermillionen Dollar trainiert und alte, rote Freizeitschuhe trägt. Es war gleichermaßen poetisch wie verrückt. Coombs bemühte sich, uns seine volle Aufmerksamkeit zu schenken, doch es war offensichtlich, daß ein Teil von ihm draußen vor dem Büro war, aufmerksam auf die Pferde achtete und Geräuschen lauschte, die auf irgendwelche Schwierigkeiten hindeuteten… oder worauf ein Trainer von Galoppern auch immer lauschen mochte.
»Wir möchten den Aufenthaltsort von Ginger Mauch ausfindig machen«, sagte Jo.
»Das verstehe ich nicht. Das Mädchen arbeitet doch für Sie, Jo.«
»Sie hat gekündigt. Ganz plötzlich. Sie hat gekündigt und ist verschwunden.«
»Tja, ich weiß nicht, wo sie ist, Jo. Ich habe das Mädchen seit Jahren nicht gesehen.«
»Aber Ginger hat doch früher mal für Sie gearbeitet«, sagte ich, denn ich erkannte, daß es an der Zeit war, die Gesprächsführung zu übernehmen.
»Stimmt. Sie war ungefähr ein halbes Jahr bei mir beschäftigt. Dann hat sie gekündigt. Irgendwann erfuhr ich, daß sie für Mona Aspen auf der Insel arbeitet. Und dann hörte ich, daß sie für Harry und Jo arbeitet.«
»Können Sie sich an die Begleitumstände erinnern, als Sie das Mädchen eingestellt haben?« erkundigte ich mich.
Angesichts meiner ziemlich umständlich formulierten Frage mußte Coombs lachen. Wieder beugte er sich zu mir vor und zwinkerte mir zu. Ich hatte den Eindruck, er war auf einen Flirt aus. »Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich wissen, in welcher Branche Sie tätig sind.«
»Wieso?«
»Weil mir nur eine Finanzbeamtin eine solche Frage stellen würde.«
»Ich bin Schauspielerin.«
Er lehnte sich zurück und musterte mich eingehend; mit dieser Antwort hatte er offensichtlich nicht gerechnet.
Jo sagte in entschuldigendem Tonfall: »Charlie, wir brauchen dringend sämtliche Informationen, die Sie uns über Ginger Mauch geben können. Wir haben keine Zeit, das alles groß und breit zu erklären.«
»Die damaligen Begleitumstände«, sagte Coombs, erhob sich, ging durchs Büro und ahmte geschickt meine gestelzte Sprache nach, »waren, sofern ich mich recht entsinne, folgendermaßen: Ginger kam in mein Büro und fragte mich, ob ich ihr eine Stelle als Assistenztrainerin geben könnte. Ich sagte ihr, ich brauchte zwar keine Assistenztrainerin, aber eine Bürohilfe, die mir den Papierkram abnimmt, den ich nicht schaffe… und eine Reihe anderer stupider Verwaltungsarbeiten, von der Bestellung des Futters bis hin zu dem ständigen Papierkrieg mit den Sicherheitsleuten. Ich sagte ihr, ich würde mehr Zeit für mich selbst brauchen, seit ich reich und berühmt geworden sei. Ginger war einverstanden, und ich gab ihr den Job.«
»Hat sie Ihnen etwas über sich selbst erzählt?«
»Eigentlich nicht. Nach einer Weile habe ich erfahren, daß sie in Vermont geboren und dort aufgewachsen ist. Außerdem kam sie aus irgendeinem Grund donnerstags immer zu spät zur Arbeit. Und sie hat ihren Kaffee stets mit Milch, aber ohne Zucker getrunken.«
Ich sah, daß er sich ehrlich bemühte, sich zu erinnern. »Haben Sie Referenzen von Ginger verlangt?« fragte ich.
»Nein. Das war nicht nötig. Bevor sie nach New York kam, hat Ginger in Maryland als Assistenztrainerin gearbeitet. Und das Pferd, das sie geritten hat, hieß › Cup of Tea ‹. Ginger hat mir Zeitungsausschnitte gezeigt.«
» Cup of Tea !« wiederholte Jo mit aufgeregter Stimme. »Davon hat sie mir nie etwas erzählt!«
»Was ist so besonders an Cup of Tea ?« fragte ich, erstaunt über Jos Reaktion.
Charlie Coombs ging zurück zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Er grinste mich ein wenig herablassend, aber auf gutmütige Weise an, als müßte ich mich für irgend etwas Dummes schämen. »Es war einmal«, begann er in gespielt dozierendem Tonfall, »ein häßliches kleines Fohlen, das wurde auf einer Farm in Norden Michigans geboren. Es war ein Vollblut, stammte jedoch von sehr mittelmäßigen Rennpferd-Eltern ab. Niemand hatte je von seiner Mama oder seinem Papa gehört. Die Besitzer nannten das Fohlen Cup of Tea , weil sein Fell von so trüber,
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