Eine Katze kommt selten allein
klingeln, denn ich hatte absolut keine Lust, mit der Agentin zu reden. Sie war ein liebes nettes Dummchen, doch in letzter Zeit hatte sie immer mehr auf meiner Vorliebe für den ›Avantgarde-Theater-Quatsch‹ herumgehackt, wie sie sich auszudrücken pflegte; ich solle endlich damit aufhören und wieder ›dorthin zurückkehren, wohin ich gehörte‹ – wo immer das sein mochte. Und ich antwortete ihr stets: »Aber gern. Falls du mir die weiblichen Hauptrollen für das nächste Dutzend Inszenierungen an einer großen Bühne besorgst.«
Als das Telefon nicht zu klingeln aufhörte, nahm ich den Hörer ab. Der Anrufer war nicht meine Agentin, sondern Charlie Coombs, der Trainer.
Er habe etwas viel Interessanteres für mich als eine seiner Pferdegeschichten, sagte er. Einer seiner Assistenztrainer wohnte in meiner Nachbarschaft und würde mich morgen früh zur Rennbahn hinausfahren, damit ich mir anschauen könne, wie ein großer (Lachen) Trainer wie er, Charlie Coombs, Rennpferde trainiere. Ob ich einverstanden sei?
Ich starrte das Telefon an. In den letzten paar Wochen hatte ich oft an Charlie Coombs gedacht, aber nur im Zusammenhang mit Jo und deren Problemen. Und seit Jo – verstimmt über meine Abtrünnigkeit – nach Long Island zurückgekehrt war, hatte ich nichts mehr von ihr gehört.
Doch in dem Moment, als ich Coombs’ Stimme am Telefon hörte, wußte ich, daß er mein Liebhaber werden würde.
Ich kann wirklich nicht sagen, wieso mir dieser Gedanke kam. Vielleicht lag es daran, daß das Theater kein Ort für die Liebe ist. Die meisten Schauspielerinnen können ihre männlichen Kollegen nicht ausstehen und umgekehrt. Die einzigen Männer, mit denen ich verkehrt hatte – von Schauspielern und Regisseuren abgesehen –, waren Bankiers und Rechtsanwälte und Geschäftsleute gewesen, die nur am Rande mit dem Theater zu tun hatten. Diese Männer waren von Schauspielerinnen fasziniert und ganz versessen darauf, sie ins Bett zu bekommen; denn diese Männer glaubten, Schauspielerinnen könnten ihnen vollkommen neue Dimensionen erotischer und intellektueller Erlebnisse eröffnen. Von wegen. Das geschah niemals; die ersehnte Magie kam nicht zum Vorschein. Inzwischen war mein Sexualleben auf mehr oder weniger zölibatäre Ausmaße geschrumpft.
Wie mochte es mit einem Mann sein, fragte ich mich, der gar nichts mit dem Theater zu tun hatte?
Ich sagte Coombs, daß es mir eine große Freude wäre, noch einmal zur Rennbahn zu kommen.
»Fein«, erwiderte er. »Malacca, mein Assistenztrainer, erwartet Sie morgen früh um halb fünf vor Ihrem Haus.« Dann legte er auf.
Ich schaute zu Bushy hinunter, der um meine Beine strich, um Aufmerksamkeit zu erregen, und wollte ihm gerade von Charlie Coombs’ Anruf erzählen, als das Telefon schon wieder klingelte. Diesmal konnte es niemand anders als meine Agentin sein. Diesmal mußte ich das Klingeln ignorieren. Oder den verdammten Anrufbeantworter einschalten, den ich haßte wie die Pest.
Aber wenn es Charlie Coombs war? Wenn er seine Pläne geändert hatte?
Ich nahm den Hörer ab. Es war Carla Fried.
»Hallo, Alice. Ich bin am La-Guardia-Flughafen und muß erst in drei Stunden zum Weiterflug in Newark sein. Wenn ich mit dem Bus durch Manhattan fahre, könnten wir uns auf eine Tasse Kaffee treffen.«
»Wo hält der Bus denn?« fragte ich automatisch, denn ihr Anruf hatte mich völlig überrumpelt.
»Ich nehme die Buslinie bis zur Park Avenue. Wir könnten uns im Grand-Hyatt-Hotel treffen, gegenüber der Haltestelle. An der Bar. In einer Stunde. Einverstanden?«
»Gern«, sagte ich. Und Carla legte auf. Gott, war diese Frau hektisch geworden. Eine richtige Managerin. Ich kam mir vor, als hätte ich mit einem Firmen-Jet gesprochen.
Ich konnte mich erinnern, daß die Bar des Grand Hyatt auf pseudo-vornehm getrimmt war; deshalb zog ich mir pseudo-respektable Klamotten an.
Carla wartete in der Lobby des Hotels auf mich, am Eingang zur Bar. Sie hatte sich ein Taxi genommen. Kaum hatten wir uns gesetzt, als sie auch schon wie ein Wasserfall zu reden begann. Ich solle ihr nicht böse sein, daß sie nicht zurückgerufen habe, nachdem sie aus Atlanta abgereist sei. Und was die Produktion des Stückes betraf, liefe alles bestens. Sie bedrängte mich nicht, endlich eine Entscheidung zu treffen, ob ich die Wärterin in Romeo und Julia spielen wollte; dafür hätten wir noch jede Menge Zeit, erklärte sie. Dann lehnte sie sich zurück und grinste.
»Ich quassle und quassle,
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