Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren
schiefer. Am Ende, nachdem er viel Material verbraucht und viel Zeit investiert hatte, musste er die fast fertige Wand abreißen und komplett neu aufbauen.
„Stephen“, sagte der Maurer sehr ernst, „es wird Augenblicke in deinem Leben geben, in denen dir klar wird, dass du Fehler gemacht hast. Du hast dann die Wahl: entweder deinen Stolz zu überwinden und ein paar Nägel zu ziehen oder uneinsichtig weiterzumachen und zu hoffen, dass die Probleme sich von alleine lösen. Meistens wird es jedoch nur noch schlimmer. Ich gebe dir diese Zange, um dich an folgendes Prinzip zu erinnern: Wenn du merkst, du hast einen Fehler gemacht, ist es das Beste, gleich die falsch gesetzten Nägel zu ziehen und von vorne anzufangen.“
Joshua Harris
Anleitung
Kinder sind viel eher geneigt, deiner Führung zu folgen, als in die Richtung zu marschieren, die du ihnen zeigst.
Anonym
Zufriedenheit
„Was wünschst du dir zu Weihnachten?“, frage ich. Es ist Oktober und ich bin bereits halb in Panik wegen meiner Einkaufsliste.
„Ich weiß es nicht“, antwortet sie einfach. „Ich habe alles, was ich brauche.“
Aber so leicht lasse ich mich nicht vertrösten.
„Komm schon, Mutter. Irgendetwas brauchst du doch bestimmt.“
Sie lässt sich nicht erweichen.
„Nein. Wirklich nicht.“
Und das meint sie auch so, denn sie ist davon überzeugt, alles zu haben, was sie braucht.
Ich sehe mich in ihrem Haus um. Sie könnte einen neuen Teppich für den Raum brauchen, den sie und Vater liebevoll „das Arbeitszimmer“ nennen. Es ist ihr privates Heiligtum – kaum groß genug für ihre beiden Sessel, Vaters großen Eichenschreibtisch (der schon seit Urzeiten dort steht), den kleinen Aktenschrank, passend zu den Wänden in hellgrün gestrichen, und dem Bücherregal in einem Wandschrank ohne Türen, damit es aussieht wie ein Teil des Raumes.
Das Zimmer trägt zu Recht die Bezeichnung „Arbeitszimmer“, weil mein Vater dort seine Fachbücher liest und seine Predigten vorbereitet und weil er und Mutter dort jeden Morgen ohne Ausnahme gemeinsam in ihrer Bibel lesen.
Vom Arbeitszimmer aus betrachten sie auch die Vögel, die Wolken und die Bäume. Sie haben ihre Sessel so gestellt, dass sie die Welt hinter den Fensterscheiben im Auge behalten können.
Jeden Abend nach den Nachrichten falten sie die gelesene Zeitung zusammen und stecken sie in den alten Zeitungsständer zwischen ihren beiden Sesseln. Und einmal in der Woche werden diese Zeitungen in die Altpapiertonne gebracht. Doch bis dahin muss ihr „Lehrbuch“ für die Welt zur Hand sein. Man weiß ja nie, auf welche Informationen man im Laufe der Woche noch einmal zurückgreifen muss.
„Ja“, wiederholt Mutter. „Ich habe alles, was ich brauche.“
Trotzdem, das Arbeitszimmer braucht einen neuen Teppich und bei all den Gesellschaften, die Mutter gegeben hat, hat sie nie eine Suppenterrine, Eiscremeschälchen oder silberne Serviettenringe besessen.
Ich sage Mutter, dass ich mir etwas für sie ausdenken werde, wenn ihr nichts einfällt. Und das ist ihr ganz recht so. Sie holt ihre große Kasserolle hervor und beginnt das Hühnchen für unser Abendessen zu braten. Sie macht keine weitere Bemerkung mehr bezüglich ihrer Bedürfnisse.
Eigentlich hat sie, solange ich denken kann, noch nie etwas über ihre Bedürfnisse gesagt. Sie lebt einfach von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang und genießt die Schönheit des Tages. Wenn es regnet, knipst sie alle Lichter im Haus an und genießt die Wärme ihrer gemütlichen Räume. Und in den Zeiten dazwischen erzählt sie mir, wie gut Gott ist, wie schön es ist, mit meinem Vater verheiratet zu sein und wie wundervoll ihre Kinder sind. (Kein Wunder also, dass ich immer wieder gern nach Hause gehe.)
Natürlich erlebt auch meine Mutter Zeiten der Niedergeschlagenheit wie alle anderen Menschen auch. Und sie hat bereits so manches Tal durchschritten. Aber die Zufriedenheit meiner Mutter könnte auch bei einer Romangestalt, die ich mir ausdenken würde, vollkommener nicht sein. Ich habe das Gefühl, dass Mutter mit ihrem materiellen Besitz ganz und gar zufrieden ist. Aber es geht noch tiefer. Ich spüre, dass sie zufrieden ist mit dem, wer sie ist und was sie tut.
Das Zusammensein mit meiner Mutter vermittelt mir immer das Gefühl einer traurigen Nostalgie. Ich sehne mich nicht gerade in meine Kindheit zurück, so schön und positiv sie auch war. Aber ich wünsche mir die Zufriedenheit zurück, die ich bei meiner Mutter finde. Ich
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