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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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bergeweise herum, die Gullis waren verstopft und Ihre bürgerlichen Verwandten mussten ihren Abfall selbst auf die Müllkippe bringen.“
    Ich würde ihn gern unterbrechen und fragen, was denn so anders ist, wenn die Straßenkehrer nicht streiken, aber ich höre ein Geräusch an der Tür zu meinem Verlies.
    Ãœberraschend schnell und präzise füge ich den Ziegel wieder ein. Ich bereite mich darauf vor, dieses schwarze Loch zu verlassen, bin überzeugt, dass Major Kiyanis Spielchen beendet ist. Er mag General Akhtars persönlicher Liebling sein, aber so lang kann seine Leine doch nicht sein. Ich freue mich darauf, mir die Zähne putzen, eine frische Uniform anziehen und vor allem wieder in die Sonne schauen zu können.
    Das einzige Licht, das ich zu sehen bekomme, ist der helle Strahl, der mich kurz blendet, als die Tür einen Spalt aufgeht. Das Einzige, was ich sonst noch sehe, ist eine Hand, die einen Teller aus rostfreiem Stahl in meine Zelle schiebt. Noch bevor ich aufstehen, die Person hinter der Tür grüßen und sie als Geisel nehmen oder um eine Zigarette anschnorren kann, ist die Tür wieder zu und der Raum dunkel. Es riecht nach einer heißen Mahlzeit.
    Du sehnst dich nach Freiheit, und was geben sie dir?
    Chicken Korma.

Vierzehn
    G eneral Zia ul-Haq nahm die Kopie eines Ausschnitts aus der New York Times vom Stapel seiner Morgenzeitungen und seufzte. Da war sie wieder: die Blinde Zainab, Kopf und Gesicht von einem weißen Dupatta umhüllt, die Augen hinter einer billigen Plastiksonnenbrille verborgen. Er wusste, dass sie es war, noch bevor er die Schlagzeile las: Blinde Justizia im Land der Reinen.
    Jeder Morgen war unerträglich, seit die First Lady ihm nicht mehr das Frühstück servierte. Zuvor hatte er wenigstens seiner Verdrossenheit über die täglichen Schlagzeilen Luft machen können, indem er sie anschrie. Doch wenn er dieser Tage ganz allein an dem Esstisch für vierundzwanzig Personen saß, kam er sich vor wie ein Bibliothekar in der Hölle.
    Er nahm eine Zeitung zur Hand, unterstrich die schlechten Nachrichten, kreiste die guten ein, stach mit dem Stift in die Fotos der Oppositionsführer und warf die Zeitung dann einem Diener zu, der furchtsam in der Ecke lauerte und verzweifelt hoffte, dass zumindest einige der Nachrichten gut wären.
    Was war mit der westlichen Presse los? Warum waren diese Leute so besessen von Sex und Frauen? Dies war nun der dritte Artikel über die Blinde Zainab in der internationalen Presse. Ein simpler Fall von illegalem Geschlechtsverkehr war zu einem internationalen Problem geworden. General Zia fragte sich warum. Vielleicht weil die Frau blind war, denn besonders ansehnlich war sie nicht. Typisch Amerika. Unzucht mit blinden Frauen kam bei denen natürlich in die Schlagzeilen. Diese Perverslinge.
    General Zia erinnerte sich noch gut an den Reporter von der New York Times, der ihn interviewt hatte. Er hatte ihm geschmeichelt: In der gesamten muslimischen Welt sei er noch nie einem so gebildeten Staatsmann begegnet. General Zia hatte zwei Stunden mit ihm gesprochen, ihm einen kleinen persischen Teppich geschenkt und ihn anschließend bis auf die Veranda hinausbegleitet. Der Reporter hatte sich nach der Blinden erkundigt. General Zia hatte ihm seine Standardantwort gegeben: „Die Sache liegt beim Gericht. Würden Sie den Präsidenten der Vereinigten Staaten nach einem Kriminalfall fragen, der vor einem amerikanischen Gericht verhandelt wird?“
    Er sah sich das Bild noch einmal an. Er hatte nie so recht geglaubt, dass die Frau wirklich blind war. Wie sollte eine Blinde es schaffen, ihr Foto auf die erste Seite einer amerikanischen Zeitschrift zu bringen? Er schob seine Lesebrille zurecht und las den Artikel gründlich durch. Er war nicht nur negativ. Er beschrieb General Zia als „lächelnden Diktator“, „einen Mann mit tadellosen Manieren“, „einen Mann, der sich über sich selbst lustig macht“, „einen Mann, der sich offen und ehrlich in fließendem Englisch äußerte, sich jedoch weigerte, über den Fall der Blinden zu sprechen“. Seine Erleichterung hielt indessen nicht lange an. Kaum hatte er den Artikel beiseitegelegt, stieß er auf einen weiteren Ausschnitt aus der New York Times: zwei Spalten, die die Überschrift Blinde Justiz trugen. Negative Leitartikel in amerikanischen Zeitungen bedeuteten, dass ihre Besitzer –

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