Eine Klasse für sich
mit Menschen ohne Ehrgeiz nichts anfangen. Ein Leben, das sich mit dem Gegebenen abfindet, ohne etwas verändern zu wollen, hatte für mich keinen Sinn. Mich zog es zu Leuten, die Millionäre, Minister, Medienstars werden wollten. Ich begrüßte jedes lächerliche Ziel, Hauptsache, hochfliegend. Menschen, die nichts weiter wollten als ein anständiges Leben, ein hübsches Häuschen, einen schönen Urlaub, waren mir fremd. In ihrer Gesellschaft fühlte ich mich unwohl.«
»Das hat sich geändert.«
Er nickte. »Jetzt erkenne ich, dass einiges dazugehört, das Dasein einfach anzunehmen und als etwas Kostbares zu leben. Nicht immer zu schuften wie ein Ochse, sich nicht ständig anzutreiben, was ich früher so bewundert habe. Vor Jahrhunderten sind die Menschen ins Kloster gegangen, um ihr Leben Gott zu weihen. Heute habe ich das Gefühl, diese Männer und Frauen da unten, die einfach Tag für Tag tun, was getan werden muss, weihen ihr Leben ebenfalls Gott. Auch wenn ich nicht an ihn glaube.« Er brach ab, um sich an meinem Staunen zu weiden. »Ich wette, du hättest nie gedacht, dass mir einmal so etwas über die Lippen kommt.«
Ohne einen Moment zu zögern, stimmte ich ihm zu: »Oder auch nur entfernt Ähnliches.« Er lachte, und ich fuhr fort: »Das spiegelt sich wohl alles in der gefeierten Heiligen, die jung und unschuldig zwischen pastellfarbenen Blumen steht.«
»Nein. Das ist die andere heilige Theresa. Unsere ist Teresa von Avila. Sie hat den größten Teil ihres Lebens damit verbracht, sich in das Leiden Christi zu versenken, und hatte Visionen von einer in Blut ertränkten Menschheit. Dann gründete sie einen neuen Orden und wurde vom Papst hinter Schloss und Riegel gesetzt, aber sie kämpfte wie eine Löwin und hat schließlich gesiegt.«
»Das hättest du mir gleich sagen sollen. Dann hätte ich ihre Anziehungskraft sofort begriffen.«
Diesmal brach er in lautes Gelächter aus, und wir mussten warten, bis sich sein Hustenanfall gelegt hatte. Seine Heiterkeit wich mildem
Ernst. »Ich habe mich verändert und möchte, dass du das erkennst. Das ist mir wichtig.« Er sah mich unverwandt an, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten, was mich ziemlich nervös machte. »Zumindest heißt es, ich hätte mich verändert. Aber man weiß nie, ob nicht nur durchbricht, was unterschwellig stets vorhanden war. Ich glaube jedenfalls wirklich, dass ich netter bin als früher.«
»Dazu gehört nicht viel.«
»Und nicht mehr so zornig.« Das kam mir vor wie ein Nachhall des Gesprächs in Yorkshire, was sich wohl in meinem Gesicht spiegelte.
So sehr, dass es Damian auffiel. »Was ist?«
»Letztes Wochenende bin ich Serena Gresham über den Weg gelaufen, oder Serena Belton, wie sie jetzt heißt, und sie hat etwas Ähnliches gesagt. Dass sie dich als sehr zornig in Erinnerung hat und dass zornige Menschen entweder explodieren oder Großes erreichen.«
»Oder beides.« Wir wurden unterbrochen, als Bassett das Teetablett hereinbrachte, perfekt wie eine Hollywood-Requisite mit den dünnen Gurkensandwiches und den feinen Zitronenscheiben im Silberschälchen – alles nur für mich. Damian war nicht mehr in der Lage, mit Genuss zu essen oder zu trinken. Als sich Bassett zurückgezogen hatte, nahm er den Faden wieder auf. »Du hast ja gründlich herumgestöbert. Wie geht es ihr?«
»Ziemlich gut. Andrew ist so grauenhaft wie immer.«
»War er auch da?« Ich nickte und verzog das Gesicht, Damian ebenso. »Ich habe mich immer gefragt, wie er in diesem Haus ein Familienessen durchsteht. Wenn alle vor Geist sprühen wie die Feuerwerksraketen und er dahockt wie ein Holzklotz«, sagte er.
»Ich glaube, er kommt ganz gut durch, weil ihm gar nicht bewusst wird, dass er nicht mithalten kann.«
»Und Lady Claremont?«
»Unverändert. Leider wurde Lord Claremont, der fidele alte Knabe, durch eine Holzfigur ersetzt, die jemand aus der Kapuzinergruft in Wien gestohlen haben muss. Aber Lady Claremont ist noch ganz die Alte.« Ich berichtete von ihrem Scherz auf meine Kosten. Das war etwas riskant, wenn man bedenkt, mit welchen Folgen meine
Liebe vor all den Jahren bloßgestellt worden war, aber im Schwung des Erzählens vergaß ich jede Vorsicht.
Er lächelte. »Du hättest sie heiraten sollen.«
»Solche Bemerkungen kannst du dir schenken.« Im Grunde überraschte es mich nicht, dass meine Wut immer noch so dicht unter der Oberfläche brodelte.
Wenn ich glaubte, ich hätte ihm einen Dämpfer aufgesetzt, wurde ich enttäuscht.
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