Eine Klasse für sich
Eure Welt gefiel mir nicht, und ich lehnte euren Lebensstil ab, aber meine eigenen Kreise waren auch nicht mehr nach meinem Geschmack. Ich war genauso ein Snob geworden wie die verrückte alte Lady Belton, legte genauso viel Wert auf unwichtige Unterschiede und brauchte die große Selbstinszenierung.«
»Also haben wir dich aus unserer Welt verstoßen und dir deine eigene madig gemacht.«
»Du bringst es auf den Punkt.«
»Serena hat wohl gleich geheiratet? Nachdem es mit euch zu Ende war?«
»Wenig später.« Er sann kurz darüber nach. »Ich hoffe, sie ist glücklich.«
Ich trank ein paar Schlückchen Tee, ein halbherziger, vergeblicher Versuch, mich zu beruhigen. »Vermutlich nicht besonders. Aber bei Leuten ihres Schlags ist das schwer zu sagen.«
Er sah mich mit der misstrauischen Vorsicht eines Anthropologen an, der an einer Studie über einen unbekannten wilden Stamm arbeitet. »Macht dir das eigentlich Spaß? Diese Zeitreise à la Proust? Es geht ja um deine Vergangenheit genauso wie um meine.«
»Spaß nicht gerade.«
»Was hält deine …« Er zögerte. »Ich hasse das Wort ›Partnerin‹. Was hält sie davon?«
»Bridget? Ich glaube nicht, dass sie sich dafür interessiert. Das ist nicht ihre Welt.« Letzteres stimmte zwar, aber der Rest war nicht ganz aufrichtig. Ich hatte jedoch keine Lust, näher darauf einzugehen. »Es ist sowieso egal«, fuhr ich fort. »Wir haben uns getrennt.«
»Ach du liebe Zeit. Ich hoffe, das war Zufall.«
»Nicht ganz. Aber es hatte sich schon abgezeichnet.«
Er nickte, doch seine Neugier reichte nicht aus, um weiter nachzufragen. »Wer ist die Nächste?«
»Candida Finch oder Joanna Langley. Wahrscheinlich Joanna.«
»Warum?«
»Ich habe immer sehr für sie geschwärmt.«
Er lächelte über diese Enthüllung. »Da haben wir etwas gemeinsam. «
»Erinnerst du dich an ihren berühmten Auftritt in Ascot?«
»Wie könnte man den vergessen?«
»Warst du damals mit ihr zusammen?«, fragte ich bemüht fröhlich. »Ich weiß, dass du bei deiner Ankunft nicht in ihrer Gruppe warst. Bist du mit den Greshams gekommen?« Schon wieder musste ich in der schmerzhaften alten Wunde stochern.
Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Sozusagen. Aber ich glaube, ich war damals mit keiner der beiden zusammen. Das kam alles erst später.«
Ich wand mich in Höllenqualen. »Ich fand immer, ihr habt ein schönes Paar abgegeben, du und Joanna.«
Er nickte. »Weil wir beide bürgerlicher Herkunft waren, beide auf das große Geld aus? Und weil ich dir so nicht in die Quere gekommen wäre?«
»Weil ihr beide Realisten wart, auf der Höhe der Zeit, was man von uns anderen nicht behaupten konnte. Den großen Lernprozess, der uns allen noch bevorstand, hattet ihr nicht nötig.«
»Das ist freundlich ausgedrückt.« Er quittierte meine verbindlichen Worte mit einem höflichen Nicken. »Aber wir hatten nicht so
viele Gemeinsamkeiten, wie es nach außen hin aussah. Ich war sehr ehrgeizig, du erinnerst dich.«
»Allerdings.«
Mein Ton verriet vielleicht mehr als beabsichtigt, und Damian warf mir einen raschen Blick zu. »In den ersten Monaten war ich noch nicht sicher, was ich mir von euch erwartete. Joanna erwartete jedenfalls nichts. Sie wollte nur den Klauen ihrer Mutter entrinnen und abtauchen. Das war ihr anfangs vielleicht noch nicht bewusst, aber sie kam bald dahinter.«
»Wie wir alle wissen.«
Damian lachte. »Wie wir alle wissen.«
»Und dabei stellte sich heraus, dass ihr beide ganz verschiedene Richtungen einschlagen wolltet.«
Er nickte, aber ich merkte auch, wie ihn meine Unterbrechungen störten, nahm ich ihm doch die Gesprächsführung aus der Hand. Solche Zwischenrufe können in der Tat sehr lästig werden, Spaßbremsen, die einem Redner die Witze kaputt machen, aber nichts Amüsantes an deren Stelle setzen. Trotzdem war ich nicht gewillt, mir Damians geschönten, sterilen Bericht ohne den einen oder anderen Einwurf anzuhören. Er fuhr fort: »Wenn du sie siehst und deine Erkundungen abgeschlossen hast, frag sie doch, wie sie jene Zeit rückblickend empfindet. Das wüsste ich gern.«
Bei Joanna gab es allerdings ein kleines Problem. Von allen Frauen auf der Liste hatte ich über sie die wenigsten Informationen. »Du hast mir nicht viel Anhaltspunkte gegeben, wie ich sie finden kann.«
»Im Internet steht kaum etwas über sie. Natürlich die Ascot-Story und ein bisschen was aus der Frühzeit, aber nichts mehr nach der Scheidung.«
»Scheidung?«
»1983.« Ich
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