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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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möglich an. Und so blieb es nicht aus, dass man sich von Zeit zu Zeit mit einer Frau im Bett fand, die man nur als »höchst unpassend« bezeichnen konnte.
    Wenn so etwas vorkam, vögelte man einfach weiter, und die beklommene Frage, Was habe ich mir nur dabei gedacht? , schob sich erst am nächsten Morgen ins Bewusstsein. Doch ließ sich nicht immer vermeiden, dass der Moment der Erkenntnis mitten in der Aktion aufblitzte. Dass einem die Schuppen von den Augen fielen und man es nur noch idiotisch fand, nackt dazuliegen, mit einem Leib in den Armen, den man nicht begehrte. Das passierte mir in jener Nacht mit Terry Vitkov. In Wahrheit fühlte ich mich nicht im Geringsten zu ihr hingezogen, ich mochte sie nicht einmal besonders, und ohne den Ehekrieg der Mainwarings und die völlig verrückten Vorfälle des Abends wäre ich nie in diese Lage gekommen. Hätten die Ereignisse nicht eine künstliche Nähe zwischen uns erzeugt, wäre ich völlig zufrieden allein schlafen gegangen. Aber jetzt, wo ich mit Terry im Bett war, den leicht säuerlichen Geruch ihres Körpers einatmete, ihre drahtigen Haare und ihre schwammige Taille spürte und an ihren Hängebrüsten herumdrückte, wurde mir erschreckend klar, dass ich lieber an jedem anderen Ort der Erde wäre als hier. Ich rollte von ihr herunter.

    »Was ist denn los?«, fragte Terry mit einer Stimme wie ein Reibeisen.
    »Nichts«, sagte ich.
    »Das klingt aber nicht gut«, erwiderte sie drohend.
    Was mein Geschick natürlich besiegelte. Vor mir stieg eine kurze Vision auf, wie ich zur komischen Figur wurde, zum impotenten Angeber, zum Schlappschwanz, über den die anderen Mädchen kicherten und dabei abfällig mit dem kleinen Finger wackelten – das traute ich Terry durchaus zu. »Alles in Ordnung«, sagte ich. »Komm her.« Und mit der ganzen Entschlossenheit, die ich aufbringen konnte, tat ich meine Pflicht.

    Unser Essen verlief nicht besonders erfreulich. Gary hatte seine Bemühungen um uns so gut wie aufgegeben, Terry jedes Augenmaß verloren. Wir starrten in die Speisekarte, Rubrik Nachspeisen, und als Terry begann, Gary wegen der Zutaten eines Strudels zu piesacken, ließ seine Miene keinen Zweifel daran, dass seine Geduld an ihre Grenzen stieß. »Ich nehme nur einen Kaffee«, sagte ich, ein schwacher Versuch, Terry zu einer Entscheidung zu bewegen. Das brachte sie unvermeidlich auf eine Idee.
    »Trink den Kaffee doch bei mir. Du möchtest sicher sehen, wo ich wohne, oder?« Ihre schleppende Aussprache erreichte texanische Ausmaße.
    »Soll ich die Rechnung bringen?«, schlug Gary eilfertig vor, der sofort die Chance ergriff, diese Querulantin loszuwerden. Wenige Minuten später standen wir auf dem Parkplatz. Und vor einem Dilemma. Ich hatte wenig getrunken, weil ich wusste, dass ich zurückfahren musste, aber Terry hatte den Löwenanteil der drei Flaschen Wein weggebechert. »Steig bei mir ein«, schlug ich vor. »Du kannst den Wagen morgen früh holen lassen.«
    »Sei doch kein solcher Tugendbold.« Sie lachte, als ginge es um einen Kinderstreich und nicht um eine strafbare Handlung, bei der Menschenleben auf dem Spiel standen. »Immer mir nach!« So begann eines der haarsträubendsten Abenteuer meines Lebens. Wir rasten erst die Beverly Hills hinauf und dann durch die weiten Kurven
der Hangstraßen, bis wir – fragen Sie mich nicht, wie – den Mulholland Drive erreichten, jenen breiten Kamm zwischen dem San Fernando Valley und den übrigen Teilen von Los Angeles. Ich erinnerte mich an einen Thriller, Das Geheimnis der Dame in Schwarz , mit Lana Turner in einer Glanzrolle. Darin kommt eine Frau vor, die nicht Auto fahren kann, aber gezwungen wird, sich ans Steuer zu setzen und ihrem Geliebten (und Mörder) zu folgen. Sie schlingert auf der Straße hin und her, und als es zu regnen anfängt, bricht sie fast zusammen, weil sie keine Ahnung hat, wie man die Scheibenwischer einschaltet. Sie schwenkt wild von einer Straßenseite zur anderen, hysterisch schluchzend (oder war das in Stadt der Illusionen ?). Was ich erlebte, als mich Terry Vitkov zu sich nach Hause lotste, hatte starke Ähnlichkeiten mit dieser Szene. Nur dass ich der Wahnsinnigen folgte, die keine Kontrolle über ihr Fahrzeug hatte, statt umgekehrt. Ich weiß nicht, wie wir dennoch lebend bei ihr ankamen.
    Das Haus war vielleicht etwas bescheidener, als ich erwartet hatte, aber doch ganz ordentlich. Eine geräumige, offene Diele, links eine als Bibliothek getarnte Bar, ein großes, auf drei Seiten

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